Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
steuere im Laufschritt und mit eingezogenem Kopf meinen Spind an.
Tamra wartet schon auf mich. »Na, wie läuft’s?«, fragt sie gut gelaunt.
»Bestens.«
Ihr Lächeln verschwindet. »Du musst einfach ein bisschen offener sein, Jace. Nur du hast es in der Hand, dich glücklich zu machen.«
Ich stelle meine Nummernkombination ein, vermassle es und versuche es noch mal. »Spar dir das Psychogequatsche.«
Sie zuckt nur mit den Schultern und fährt sich durchs geglättete Haar. Für dieses Kunststück hat sie eine geschlagene Stunde im Bad gebraucht, aber sie hatte es in einer Zeitschrift gesehen und wollte unbedingt so aussehen wie das Model auf dem Foto. Mein eigenes rotgoldenes Haar fällt mir in einer wuscheligen Mähne über die Schultern. Es ist elektrisch geladen und steht nach allen Seiten ab – wie der Rest von mir vermisst es den Nebel.
Ich betrachte sie. Wie schick sie in ihrem modischen roten Top, den dunklen Jeans und den kniehohen Stiefeln aussieht, die sie am Wochenende in einem Secondhandladen gekauft hat. Mehrere Jungs, die vorbeilaufen, verdrehen sich die Hälse nach ihr. Sie ist völlig zu Hause in dieser Welt und teilt keine meiner Qualen, nicht einmal nach Cassian scheint sie sich mehr zu verzehren. Und ich freue mich für sie. Wirklich. Wenn doch nur ihr Glück nicht mein Unglück bedeuten würde.
»Ich werd mir Mühe geben«, verspreche ich und meine es auch so. Immerhin habe ich nicht vor, ihr das alles hier zu vermiesen.
»Oh, das hätte ich fast vergessen!« Sie greift in ihre Schultasche. »Schau mal. Man kann sich für das Cheerleaderteam vom nächsten Jahr bewerben.«
Ich werfe einen Blick auf den grellorangefarbenen Flyer in ihrer Hand und verziehe das Gesicht, als ich die comicartigen Zeichnungen von winzigen Pompons und saltoschlagenden Mädchen in kurzen Röcken sehe.
Tamra wedelt mit dem Papier in der Luft herum. »Wir sollten uns gemeinsam bewerben!«
Endlich bekomme ich meinen Spind auf und tausche die nötigen Schulbücher. »Ach, lass mal. Aber mach du nur!«
»Aber du bist so …«, und dabei lässt sie ihren Bernsteinblick bedeutungsvoll über mich wandern, »… sportlich.« Genauso gut hätte sie »draki« sagen können.
Ich schüttle den Kopf und will gerade meinen Standpunkt verteidigen, da bleibt mir der Mund offen stehen und kein Laut dringt mehr heraus. Ich zittere am ganzen Körper und meine zarten Nackenhaare stellen sich warnend auf. Eins der Bücher fällt mir aus der Hand, aber ich rühre keinen Finger, um es aufzuheben.
Tamra lässt den Flyer sinken. »Was? Was ist denn los?«
Ich starre an ihr vorbei, den überfüllten Gang entlang. Die Pausenglocke läutet und jeder legt auf einmal einen Zahn zu. Spindtüren werden zugeknallt und eilig quietschen Sohlen über den Fliesenboden.
Doch ich bleibe stehen, wie zur Salzsäule erstarrt.
»Jace, was ist denn ?«
Ich schüttle nur den Kopf, unfähig zu sprechen, während ich die Gesichter um mich herum durchforste. Dann finde ich ihn. Sehe ihn. Den einen, den ich schon gesucht habe, noch bevor es mir bewusst war, bevor ich es auch nur verstand … den schönen Jungen.
Meine Haut ist zum Zerreißen gespannt.
»Jacinda, was ist los mit dir? Wir kommen noch zu spät zum Unterricht.«
Ist mir egal. Ich bleibe, wo ich bin. Unmöglich kann er das sein. Er kann nicht hier sein – warum sollte er ausgerechnet hier auf die Schule gehen?
Aber er ist es.
Will.
Er lehnt an den Schließfächern, ein gutes Stück größer als alle anderen um ihn herum. Brooklyn mit dem Haartick spielt mit seinem Hemdkragen, während ihr dick mit Lipgloss beschmierter Mund ohne Pause schnattert. Er lächelt und nickt, lässt sie reden, aber ich spüre, dass er gar nicht richtig zuhört, dass er eigentlich ganz woanders ist … oder woanders sein will. Genau wie ich.
Mein Blick ist wie gefangen.
Honigbraunes Haar fällt ihm lässig in die Stirn und ich muss daran denken, wie es ausgesehen hat, als es ihm nass und dunkel am Kopf klebte. Ich erinnere mich daran, wie wir beide ganz allein in einer Höhle kauerten, seine Hand auf meiner – und an den Funken, der zwischen uns übersprang, bevor sein Gesicht so ernst und wütend wurde. Bevor er verschwand.
Tamra gibt einen genervten Laut von sich und dreht sich um, um meinem Blick zu folgen. »Aha«, murmelt sie vielsagend. »Lecker! Zu blöd aber auch – er scheint schon vergeben zu sein. Du wirst dich wohl nach einem anderen umsehen müssen …« Als sie sich wieder mir
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