Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
zischend verdampfen. »Das sagst du nur, weil du nicht willst, dass ich zurückgehe!« Meine Stimme ist nicht meine eigene, die Gefühle kochen in mir hoch und schnüren mir den Hals zu.
»Werd erwachsen, Jacinda! Du bist kein kleines Kind mehr. Was ich dir sage, ist die Wahrheit. Und tief in dir drin musst du das auch wissen. Willst du wirklich an diesen Ort zurück?«
»Mum«, sagt Tamra, die auf einmal in der Tür steht und mich besorgt ansieht. Ihre weiche Stirn liegt in Falten, was mich an die Zeit erinnert, als wir noch kleine Mädchen waren, beide so sehr auf das Wohl der anderen bedacht. Wie oft haben wir uns nachts zur anderen ins Bett geschlichen, nur um sicherzugehen, dass es ihr gut geht.
Diese Erinnerung gibt mir das Gefühl, nicht ganz so furchtbar allein zu sein. Ich fahre mir mit der Hand über meine feuchten Wangen. Es ist mir peinlich zu weinen. Mit Tränen in den Augen fühle ich mich schwach und klein – gleich zwei Eigenschaften, die ein Draki nicht haben sollte.
Vielleicht bin ich mehr Mensch, als mir bewusst ist?
Als Mum mich sanft an der Schulter berührt, zucke ich erschrocken zusammen. Nun klingt ihre Stimme weicher. »Du kannst nicht zurück, Jacinda. Niemals. Verstehst du das jetzt?«
Mit einem Nicken senke ich den Kopf und lasse mir das Haar in die Augen fallen, damit sie meine Tränen – meine Niederlage – nicht sieht. Ich weiß, dass sie nicht lügt. Alles, was sie gesagt hat, ist wahr. Ich kann nie wieder zurück zum Rudel.
Wenn ich bleibe, sitze ich im Käfig. Und wenn ich zu den anderen zurückkehre, ebenso. Was ich auch tue, es macht keinen Unterschied. Ich werde nie frei sein.
Eilig renne ich an meiner Schwester vorbei, die noch immer auf der Schwelle steht, und falle in meiner Hast, zu entkommen, beinahe hin. Wie durch Watte höre ich, wie Tamra Mum etwas zuflüstert. Einen Herzschlag lang frage ich mich, ob auch sie davon weiß, dass man mir die Flügel kürzen wollte. Ob sie es die ganze Zeit gewusst hat. Cassian jedenfalls hat es nicht wirklich entgehen können, dass sein Vater und die Älteren sie mir kappen wollten. Wie konnte er mir nur derart dreist ins Gesicht lügen? Bin ich ihm wirklich so gleichgültig? Ist ihm die Freundschaft, die wir einst hatten, so wenig wert?
Ich komme mir so dumm vor, so verloren und so töricht. Meine Zuversicht, dass sie mich nie dazu zwingen würden, so jung schon zu heiraten, erscheint lächerlich, jetzt wo ich weiß, dass sie mich auf die denkbar schlimmste Weise verkrüppeln wollten. Sie sind zu allem fähig.
Vornübergebeugt schiebe ich mich ins Badezimmer und halte mir den Bauch. Im nächsten Moment hänge ich schon über der Toilette und entledige mich meines gesamten Mageninhalts. Schluchzend würge ich immer und immer wieder.
Irgendwann ist es vorbei. Zitternd lasse ich mich auf den Boden sinken. Ich lehne meinen Kopf gegen die kühle Wand, schwach und teilnahmslos. Mein Gesicht bebt, als ich es in meinen Händen vergrabe. Alles, was mir bisher richtig und wahrhaftig erschien, alles, woran ich geglaubt habe, war eine große Lüge.
Nie wieder kann ich heimgehen. Ich habe kein Zuhause mehr.
Keine Ahnung, wie lange ich schon auf dem Boden sitze, als es schließlich an der Tür klopft.
»Lass mich allein«, rufe ich.
Erschöpft vom vielen Weinen, lausche ich mehrere Augenblicke lang dem Geräusch meines eigenen Atems, der durch meine Lippen dringt.
Dann höre ich Tamras Stimme durch die Tür, so leise und gedämpft, dass ich sie erst gar nicht wahrnehme.
»Es ist nicht deine Schuld, Jacinda. Red dir das bloß nicht ein! Natürlich hast du ihnen vertraut.«
Mein Kopf fährt in die Höhe und ich starre die Tür an.
Das weiß sie? Das kümmert sie?
Wahrscheinlich sollte es mich nicht wundern, immerhin ist sie meine Schwester. So verschieden wir auch sind, hatte ich doch nie den Eindruck, dass sie mich hasst oder es mir vorwirft, dass ich mich im Rudel wohlfühlte, während es ihr unmöglich war. Tief in ihrem Herzen hat sie mir nicht einmal wegen Cassian Vorwürfe gemacht – dafür, dass ich ihn hatte , ohne mich überhaupt um ihn bemüht zu haben. Aber wenn ich ihr jetzt, hier in Chaparral, die Tour vermasseln würde, dafür würde sie mir sicher die Schuld geben.
Als hätte sie meine Gedanken erraten, fährt sie fort: »Aber sie waren nicht gut zu dir, so wie sie dich behandelt haben – als wärst du eine Art Statue für das Rudel. Das war falsch. Und auch Cassian hat sich falsch verhalten.« Während sie
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