Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
uns auseinanderbringen wollen. Mächte, von denen er mit manchen, vermutlich den schlimmsten, Tür an Tür wohnt. Denn das Rudel will wenigstens nicht meinen Tod und selbst die Enkros sind keine unmittelbare Gefahr. Für mich sind sie gesichtslose, nebulöse Dämonen, Monster unter meinem Bett, die nur bedrohlich werden, wenn Jäger mich fangen und ihnen ausliefern.
»Lass uns nicht darüber nachdenken!«, sage ich und schlinge die Arme um Will.
Er drückt mich so fest, dass mir die Luft wegbleibt. »Ich will nicht, dass dir jemand wehtut. Niemals!«
Etwas in seiner Stimme, in der Art, wie er mich hält – mit einer Intensität, die überwältigend ist –, lässt mich innehalten.
Weiß er vielleicht mehr, als er mir sagt? Verschweigt er etwas vor mir?
Was könnte uns denn noch bevorstehen?
Ich verscheuche die böse Ahnung und vergrabe mein Gesicht an seiner warmen Brust. Der weiche Baumwollstoff seines T-Shirts fühlt sich gut an. »Dann solltest du vielleicht deinen Griff ein bisschen lockern – sonst zerquetschst du mich nämlich«, necke ich ihn.
»Na, komm schon«, sagt er, nimmt meine Hand und führt mich in die Küche. »Ich bin am Verhungern! Lass uns frühstücken.«
Jetzt klingt seine Stimme wieder normal, tief und samtig und gelassen. Was auch immer ich eben gehört habe, es ist fort. Und etwas später überlege ich schon, ob ich es mir nur eingebildet habe.
»Will war schon ziemlich lange nicht mehr in der Schule.«
Ich blicke von meinem Buch hoch, als Tamra scheinbar beiläufig diese Bemerkung macht. Sie liegt auf dem Boden neben ihrem Bett und macht Hausaufgaben. Ihr Stift verharrt kurz über dem Papier. Aufmerksam sieht sie mich an.
»Echt?«, frage ich und bin stolz auf die Gelassenheit in meinem Tonfall. So leicht schlucke ich ihren Köder nicht. »Vielleicht ist er mal wieder unterwegs.«
»Nein. Seine Cousins sind jeden Tag da.« Offenbar hat auch sie schon von den berühmten Angelausflügen gehört, auch wenn sie nichts über die wahre Beute weiß.
Ich zucke mit den Schultern und wende mich wieder meinem Buch zu. Nach einer Weile höre ich, wie Tamras Stift wieder über das Papier kratzt. Erleichtert atme ich auf – in der Hoffnung, ihren Test bestanden zu haben. Zum Glück hat Mrs Hennessey keinem was von Wills Besuchen erzählt und ich glaube auch nicht, dass sie das noch macht. Auf gewisse Weise haben wir uns miteinander verbündet.
»Hast du was von ihm gehört?«
Anscheinend hat Tamra doch noch nicht aufgegeben und jetzt wird es schwierig. Meine Schwester anzulügen, fiel mir noch nie leicht, aber wenn ich ihr jetzt die Wahrheit erzähle, dann könnte sie das auf andere Wahrheiten bringen, für die sie noch nicht bereit ist … und ich bin noch nicht dazu bereit, sie ihr zu beichten.
»Nö.«
»Komisch. Dann ist er wohl doch kein Märchenprinz.« Dabei blickt sie mir direkt ins Gesicht und ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht zu protestieren: dass er mein Ein und Alles ist – viel mehr als ein Märchenprinz! »Geht’s dir gut?«, fragt sie.
»Klar. Ich hab noch nie an Prinzen geglaubt.«
»Wer hätte das gedacht«, sagt sie in ironischem Tonfall, wobei ich unvermittelt an Cassian denken muss. Früher war sie davon überzeugt gewesen, dass er ihr Prinz in schimmernder Rüstung ist – und ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob sie diese Vorstellung auch wirklich aufgegeben hat. »Ich frage nur, weil du’s noch nicht gewohnt bist, dich mit Fröschen abzugeben.«
Ich schnaube verächtlich. Um sie vom Thema abzulenken, frage ich: »Wie geht’s Ben?«
»Ganz gut, schätze ich.«
Was heißt, dass Tamra nicht auf ihn steht. Schließlich ist er nicht Cassian. Auch wenn Tamra wild entschlossen ist, einen neuen Anfang zu machen – ich bin überzeugt, dass ihr Cassian nach wie vor im Kopf rumspukt. Zu blöd. Ein fester Freund würde sie davon abhalten, sich über mich Gedanken zu machen. Vielleicht hätte sie dann endlich weniger Angst, dass ich ihr neues Leben gefährden könnte – noch mehr, als ich es schon getan habe. Ein Freund würde Tamra auch den sehnlichen Wunsch nach »Normalität« erfüllen.
Vielleicht sollte ich ihr von Will erzählen und ihr erklären, dass ich jetzt hierbleiben und mich bemühen will, dass alles glattläuft. Weil ich Will so sehr mag … ihn mehr als nur mag, sodass ich seinetwegen hierbleiben kann . Ich seufze – das wäre vielleicht ein Megagespräch! Größer und länger, als ich es im Augenblick ertragen könnte.
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