Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
Furcht. Furcht davor, wie ein wertloses Tier behandelt zu werden. Beute, die gejagt, erlegt und schließlich getötet wird.
Ich krieche an ihre Seite. Sie schmiegt sich an mich und dicke Tränen fallen auf meine Schultern und verdampfen zischend auf meiner kochend heißen Haut.
Wutentbrannt schreie ich die Jäger an, obwohl meine seltsamen Knurrlaute für sie sicher mehr nach einem Tier als nach einem Menschen klingen. Nach einer Bestie, der man den Garaus machen muss. Ihr kalter, apathischer Blick auf meiner Haut lässt mich zusammenzucken.
Stellenweise verschwimmt mein Blick. Mein Kopf fühlt sich auf einmal warm an, wie in Watte gepackt. Und irgendwie ist mir plötzlich alles egal. Ich fühle mich rundum wohl und genieße das kribblige Gefühl, das sich in mir ausbreitet.
Die Jäger beugen sich zu mir herunter und sehen aus wie tanzende schwarze Flecken. Trotz ihres lauten Gebrülls höre ich Mirams atemloses Schluchzen. Dieses Geräusch ist nicht zu überhören. Ich werde es nie wieder loswerden können.
Ich drücke Mirams Hand, zumindest versuche ich es. Meine Muskeln fühlen sich auf einmal so müde an, so unendlich schwach und träge. Ich weiß nicht, ob ich nicht einfach nur meine Finger auf ihre lege. Dann ist sie plötzlich weg. Sie haben sie gepackt und schleppen sie von mir weg. Ich strecke die Hand nach ihr aus, aber ich bin nicht schnell genug. Ihre Krallen streifen über den Boden und hinterlassen tiefe Rillen in der Erde. Ihre Schreie verlieren sich in der Ferne wie abflauende Windböen.
»Wo bringt ihr sie hin?«, rufe ich in meiner kehligen Sprache. »Miram! Miram!«
Dann haben es ihre grapschenden Hände auf mich abgesehen. »Pass bloß auf, dass du dir daran nicht die Finger verbrennst«, rät einer der Jäger seinem Kumpanen.
Verschwommene Gestalten stehen im Kreis um mich herum. Vergeblich kämpfe ich gegen das watteartige Gefühl in meinem Kopf an. Ich will mich nur noch zu einem kleinen Knäuel zusammenrollen und mit einem Lächeln einschlafen.
Ich versuche, mich hinzuknien, um einen letzten Fluchtversuch zu unternehmen. Ich will mich aufrichten, mit weit ausgebreiteten Flügeln in den Himmel steigen und meinen Peinigern entkommen. Ich schreie auf und stürze kopfüber zurück auf den lehmigen Boden. Es hat keinen Zweck. Ein stechender Schmerz durchzuckt die Haut meines Flügels und schießt mir tief in die Muskeln.
Warmes Blut fließt meinen Rücken hinunter und sammelt sich am Ende meiner Wirbelsäule. Ich spüre, wie es hinuntersickert. Ich kann es riechen.
Erschöpft senke ich den Kopf. Meine Haare fallen mir wie ein feuerroter Vorhang vors Gesicht. Und dann sehe ich es. Sehe den verräterischen Glanz meines Blutes, das tiefrot glänzend zu Boden tropft wie verschüttete Tinte.
Dennoch kämpfe ich gegen die betäubende Schwerfälligkeit an, die gänzlich von mir Besitz zu ergreifen droht. Meine Arme zittern bei dem Versuch, mich wieder hochzudrücken. Mein Körper fühlt sich so unglaublich schwer an. Wie Blei.
Was war bloß in diesem Glasfläschchen?
Wut und Verzweiflung pulsieren in meinen Adern. Ich will mich befreien, will sie alle versengen und für all das bestrafen, was sie mir angetan haben – und was sie mir noch antun wollen. Dinge, die so schrecklich sind, dass darüber nie ein Wort verloren wird. Keiner erzählt uns in der Schule, was wirklich passiert, wenn man von Jägern gefangen genommen und den Enkros übergeben wird. Aber ich weiß es auch so: Ich habe das Arbeitszimmer von Wills Vater gesehen – die mit Drakihaut bezogenen Möbel.
Ich öffne den Mund und speie wieder Feuer – meine letzte Hoffnung. Es ist nicht mehr als ein dünner Flammenfaden, der mir dabei über die Lippen kommt. Diesmal verlischt mein Feueratem fast im selben Moment, in dem ich ihn ausstoße.
»Will«, krächze ich mit schweren Lidern und kann mich nicht mehr wach halten.
Grobe Hände packen mich überall und heben mich hoch. Ich wende ihnen mein Gesicht zu und versuche, ihre Arme zu verbrennen, doch aus meinem Mund quillt lediglich ein erbärmliches, dampfendes Rinnsal hervor.
Was haben sie nur mit mir gemacht?
Sie fesseln meine Hände und wickeln die Seile dabei so fest um meine Handgelenke, dass sie mir das Blut abschnüren. Sogar in meinem Dämmerzustand spüre ich diesen neuen Schmerz. Sie drehen mich auf den Bauch und jemand setzt sich rittlings auf mich. Wieder bin ich nur ein wertloses Tier. Ein Schrei steigt in meiner Kehle auf, als meine Flügel zusammengeschnürt
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