Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
Miram eine Freundin von dir?«, fragt er ruhig und geduldig.
Ich winde mich innerlich bei dieser Vorstellung. »So was in der Art.«
Er sieht mir tief in die Augen und es verstreichen mehrere Sekunden, ohne dass jemand ein Wort sagt.
»Es tut mir leid, Jacinda. Sie ist verloren. Du kannst ihr jetzt nicht mehr helfen.«
»Nein!« Ich schüttle heftig den Kopf und eine Locke verfängt sich zwischen meinen Lippen. Ich wische sie ungeduldig beiseite. »Es ist einzig und allein meine Schuld, dass sie jetzt da draußen ist –«
»Wieso solltest du daran schuld sein, wenn sie nicht mit uns mitkommen wollte? Du konntest nichts dagegen tun.«
Ich ignoriere seinen Einwand und denke nur daran, wie sich Cassian fühlen wird, wenn er erfährt, dass seine Schwester verschwunden ist. »Aber du kannst etwas tun! Du bist einer von ihnen.«
Er schreckt zurück, doch das ist mir egal. Ausnahmsweise krampft sich mir dabei nicht der Magen zusammen. Ich verspüre nicht die Schuldgefühle, die sonst an mir nagen, weil ich mich in eines der Ungeheuer verliebt habe, die imstande sind, mich zu jagen, in einen Transporter zu werfen und mich an Händen und Flügeln zu fesseln, um mich dann billig zu verscherbeln. In dieser misslichen Lage könnte seine Abstammung erstmals von Vorteil sein.
»Nein, Jacinda. Es ist zu spät. Sie ist bereits ausgeliefert worden …«
Ausgeliefert. Als wäre sie eine Ware, ein lebloser Gegenstand. Ein Paket. Enttäuscht löse ich mich von ihm.
»Du willst mir also nicht helfen«, verkünde ich in hartem, bissigem Ton.
Die Klimaanlage neben dem breiten, von einem Vorhang verdeckten Fenster springt an und ihr lautes Rattern durchbricht die Stille, die in dem kleinen Raum herrscht. Ein frischer Luftzug streift mich, aber nicht einmal das kann meine Haut kühlen oder meine Nerven beruhigen.
Sein Gesicht liegt im Dunkeln, doch ich kann erkennen, dass er müde und abgespannt wirkt. Und ich sehe den Schmerz, weil er mir die Worte, die ich so verzweifelt hören will, nicht sagen kann – nicht sagen wird. »Ich kann nicht«, wiederholt er. »Sie ist jetzt bereits im Hauptquartier. Von dort entkommt niemand.«
Von dort entkommt niemand. Soll das bedeuten, dass dort Drakis gefangen gehalten werden? Lebend? Sie bringen sie nicht sofort um?
Plötzlich kommt mir mein Vater in den Sinn. Sein Bild bahnt sich einen Weg in meinen übervollen Kopf. Ich sehe seine lachenden Augen, sein gut aussehendes Gesicht, an das ich mich nicht mehr so deutlich erinnern kann wie früher. Manchmal, wenn ich schon im Bett bin, schalte ich spätabends das Licht noch einmal an und suche nach einem Foto von ihm, etwas Realem, etwas Greifbarem. Einem Beweis dafür, dass er existiert hat, dass ich mich noch immer an ihn erinnere und ihn sehe und dass ich niemals all die wundervollen Dinge vergessen werde, die er mir beigebracht hat. Dass ich ihn nie vergessen werde. Dass ich nie seine Liebe vergessen werde.
Jetzt gerade habe ich keinerlei Mühe, mich an sein Gesicht zu erinnern, doch ich schiebe den Gedanken schnell beiseite, weil ich nicht auf etwas so Unwahrscheinliches – ja, Unmögliches – hoffen will, wie meinen Vater nach so vielen Jahren lebend zu sehen.
»Aber dann ist Miram noch am Leben, sagst du? Sie haben sie noch nicht umgebracht?« Ich sehe ihm tief in die Augen. In dem dunklen Zimmer ist ihre Farbe nicht zu erkennen.
Er zuckt zusammen, als würde er es bereuen, das angedeutet zu haben. »Ja«, gibt er seufzend zu. »Sie wird am Leben bleiben – wenn man das Leben nennen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dort in ihren Forschungslabors schon viele Drakis gesehen haben, die sich unsichtbar machen können. Bestenfalls zwei oder drei. Man wird sie bestimmt einigen Tests unterziehen und Proben nehmen. Sie werden sie am Leben lassen. Zumindest eine Zeit lang.«
Abscheu macht sich in mir breit, doch ich verspüre auch eine gewisse Erleichterung. Ich versuche, ganz bewusst nicht daran zu denken, was sie mit mir angestellt hätten. Von Will weiß ich, dass sie glauben, es würden gar keine Feuerspeier mehr existieren. Jetzt wissen sie, dass es uns sehr wohl noch gibt. Dass es mich gibt.
Was er mir da über die Enkros erzählt hat, wusste ich bis jetzt nicht, und diese neue Information lässt mich Hoffnung für Miram schöpfen.
»Dann gibt es also eine Möglichkeit –« Er schüttelt langsam den Kopf, doch ich lasse mich davon nicht irritieren. »Es gibt eine Möglichkeit.« Bei diesen Worten beobachte ich
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