Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
und Stärke wirken ganz und gar nicht bedrohlich auf mich.
Eng aneinandergedrückt sinken wir nach unten. Mir wird flau im Magen. Es ist wie in meinem Traum, meinem Albtraum. Ich falle und kann mich nicht halten. Kann mich nicht auffangen.
Ich falle und kann nichts dagegen tun.
Gemeinsam fliegen wir denselben Weg nach unten, den wir getrennt emporgeflogen sind. Das ist das Herzstück der Zeremonie. Dazu sind wir verpflichtet. Darum geht es hier. Ich hatte mir das Hochzeitsritual immer als etwas Romantisches, etwas Besonderes vorgestellt, das ich eines Tages mit jemandem teilen würde. Aber es war immer weit weg, weit in der Zukunft. Doch jetzt ist es real. Ich durchlebe es hier und jetzt.
Cassians Arme halten mich fest, als wir zusammen nach unten rasen. Die Luft um uns herum pfeift, als wir spiralförmig zu Boden schießen. Meine Haare werden hochgewirbelt und sogar Cassians Haar löst sich von seinem Gesicht und die dunklen Locken umflattern wild seinen Kopf.
Wir sehen einander tief in die Augen und der Wind heult laut wie ein Güterzug, als wir uns zusammen nach unten schrauben, zurück zum Rudel, das am Boden auf uns wartet.
Nicht nur er hat seine Arme fest um mich gelegt. Auch ich klammere mich eng an ihn. Unsere Beine schlingen sich umeinander.
Es ist, als klebten wir in diesem Augenblick wirklich aneinander … als stürzten wir zusammen in den Tod. Vermutlich ist das der Sinn und Zweck des Ganzen. Das Ritual soll das Ende unserer eigenständigen Leben und den Beginn unserer untrennbaren Verbindung symbolisieren.
Ich halte die Luft an. Ich kann nicht atmen, selbst wenn ich wollte. Wir fallen so unglaublich schnell, dass die Luft keinen Weg in meine Lunge findet.
Plötzlich verschwinden die Wolken und der Nebel löst sich auf. Nur Zentimeter über dem Boden breiten wir unsere Flügel aus und landen sanft in dem Saphirkreis.
Zusammen. Eng umschlungen. Verheiratet nach Drakiart.
Während der anschließenden Feierlichkeiten kann ich meine Schwester nirgendwo entdecken. Ich werde ständig angesprochen, es wird auf mein Wohl getrunken und ich werde mit Essen und guten Wünschen überhäuft.
Dabei habe ich noch vor Kurzem über dem Holzblock gekauert und man hätte mir fast die Flügel gestutzt. Jetzt habe ich mich bewiesen. Mein Bund mit Cassian hat das Rudel endlich davon überzeugt, dass ich eine von ihnen bin. Sie trauen mir zwar noch nicht ganz über den Weg, aber sie haben Vertrauen in das Hochzeitsritual … und sie vertrauen Cassian.
Während der gesamten Feierlichkeiten suche ich immer wieder nach Tamra, aber ohne Erfolg. Ich muss sie einfach sehen. Muss mich vergewissern, dass mit ihr alles in Ordnung ist. Dass zwischen uns alles in Ordnung ist. Mein Gesicht spannt und schmerzt.
»Komm mit«, sagt Cassian leise und steht von der langen Tafel auf, an der wir sitzen. Seine große Hand legt sich um meine und ich spüre seine von der Arbeit raue Haut. »Es ist schon spät.«
Unter fröhlichen Protesten verlassen wir zusammen das Fest. Aus den Augenwinkeln heraus fällt mein Blick auf Severin, der ausgelassen trinkt und lacht. Anscheinend hat er seine Tochter bereits vollkommen vergessen. Unsere Blicke treffen sich und er hebt das Glas und prostet mir wortlos zu, glücklich darüber, mich endlich in seiner Familie und unter Kontrolle zu haben.
Er denkt, dass er gewonnen hat. Dass ich mich geschlagen gebe.
»Geht ihr etwa schon?« Corbin stellt sich uns in den Weg.
»Jacinda ist müde. Sie hat einen langen Tag hinter sich«, entgegnet ihm Cassian gleichmütig.
Corbin starrt seinen Cousin mit zitternden, zu Schlitzen verengten Pupillen an. »Und du bist sicher ganz wild darauf, sie ins Bett zu bringen.«
Ich fauche empört. Und dann steht es mir plötzlich glasklar vor Augen: Cassian und ich sind jetzt verheiratet.
»Pass auf, was du sagst«, warnt Cassian ihn und sein Griff um meine Hand verstärkt sich kaum merklich. Ich kann seine Wut deutlich spüren, dunkel und schwer wie ein Gewitter, das sich am Himmel zusammenbraut. Und es schwingt noch etwas anderes mit, nicht nur Zorn. Ich spüre auch sein Besitzdenken, sein Verlangen .
Ich zucke unter den Gefühlen, die über mich hereinbrechen, zusammen und lasse Cassians Hand los, um die Verbindung zwischen uns zu schwächen, zu trennen. Ist es das, wovon Mum gesprochen hat? Ist das die Verbindung? Sind wir jetzt auf immer und ewig der emotionale Gradmesser des anderen? Na toll.
Corbin grinst breit und geht zur Seite. »Natürlich.«
Cassian
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