Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
versuche.
Zusammen, miteinander vereint leuchten die beiden Steine ganz anders, besitzen auf einmal eine ganz andere Energie. Ich kann sie flüstern hören und sehe zu, wie sie in eine neue Schatulle gelegt werden. Sie ist schwarz lackiert und auf dem Deckel befinden sich feuerrote, gewundene Schnitzereien. Das ist unsere Schatulle: meine und Cassians. Und ich frage mich, vor wie langer Zeit sie schon angefertigt wurde … in dem Wissen, dass sie auf jeden Fall zum Einsatz kommen würde.
Dann ist es Zeit für unseren Flug. Unseren letzten Flug, den wir als unabhängige Einzelwesen antreten werden.
Wir sehen uns in die Augen, als wir abheben und in die Luft steigen. Ich unterdrücke den Schmerz in meinem verletzten Flügel und steige immer höher in den Himmel.
Ich halte das Gesicht in den kühlen, feuchten Wind und genieße es, dem Himmel wieder so nah zu sein. Obwohl ich eigentlich nicht will, dass mir irgendetwas an diesem Moment gefällt. Fliegen war schon immer wie Balsam auf meiner Seele. Ich kann mich diesem wunderbaren Gefühl einfach nicht entziehen, das ich beinahe für immer verloren hätte, als mir um ein Haar die Flügel gestutzt worden wären.
Meine Flügel schlagen kräftig durch die Luft und tragen mich immer weiter und weiter nach oben, als würde ich alldem entkommen und mich so weit vom Rudel entfernen wollen wie nur irgend möglich. Ich schließe die Augen und genieße den Wind auf meinem Gesicht.
Plötzlich kommt mir der Gedanke in den Sinn, einfach weiterzufliegen und im Himmel zu verschwinden. Nie wieder zu landen. Zumindest nicht im Rudel.
Dann fällt mein Blick auf Cassian, der sich mit mir zusammen durch Nebel und Wolken schlängelt. Seine großen Flügel leuchten dunkler als die Nacht um uns herum. Kraftvolle onyxfarbene Segel mit einem Hauch von Violett.
Er hält Blickkontakt mit mir, als wir uns zusammen in die Höhe schrauben. Er weiß, was mir gerade durch den Kopf geht, lässt es sich aber nicht anmerken.
Und dann wird es mir plötzlich klar. Ich kann es spüren, in dem Feuer und in der Glut, die in meiner Brust schwelen.
Er würde mich ziehen lassen. Würde mich in die Nacht hinein entkommen, durch Wolken und Nebel entschwinden lassen. Jetzt liegt es ganz an mir.
Ich stelle mir das Ganze vor. Stelle mir vor, wie er ohne mich wieder beim Rudel landet. Wie er beschämt und verlassen allen ins Gesicht sehen muss. Sie würden mir natürlich hinterherfliegen. Wahrscheinlich würde ich nicht weit kommen. Im Grunde habe ich nicht wirklich eine Chance.
Plötzlich hält er inne. Schwebt in der Luft.
Auch ich höre auf, mit den Flügeln zu schlagen, und lasse mich treiben.
Ich drehe mich zu ihm um. Wir sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Nachtwolken und kalte Dampfschwaden umhüllen uns wie kühler Rauch.
Durch die Wolken hindurch erhasche ich immer wieder einen Blick auf sein Gesicht. Auf seine kohlrabenschwarz schimmernde Haut, seine Augen, die aussehen wie schwarz glänzendes Vulkanglas.
»Es wird nicht echt sein«, rufe ich ihm zu. Der Wind verweht meine Worte und ich bin mir nicht sicher, ob er mich gehört hat. Bis er antwortet:
»Echt genug.«
Echt genug? Für ihn? Will er das damit sagen? Glaubt er etwa, dass eine Ehe, die nur einer von uns wirklich will, besonders befriedigend sein wird? Für uns beide? Oder will er einfach warten, bis sich dieses Band von selbst schmiedet und uns unzertrennlich macht?
Ich habe heute schon so viel verloren. Will. Mum. Ich blicke nach unten. Dort am Boden wartet Tamra, die vom Rudel genauso hintergangen wurde wie ich.
Ich sehe wieder hoch zu Cassian. Es wird nicht echt sein. Das hier wird auf keinen Fall echt sein.
Durch die Luft schwimme ich zu ihm hin. Das ist die einzige Antwort, die er benötigt.
Das muss ich jetzt tun, das erfordert dieser Augenblick.
Der Blick in seinen Augen wird weicher, als wir uns umarmen und tun, was seit Jahrtausenden Drakitradition ist. Sanft legt er seine Hände auf mich: eine auf den Rücken zwischen meine Flügel, die andere auf meine Hüfte. Er schaut mir tief in die Augen und sein Blick bohrt sich in mich hinein, als würde er sich diesen Augenblick ganz genau einprägen wollen.
Ich schließe die Augen und versuche zu vergessen. Ich denke nur an Will und daran, dass ich ihn wiedersehen werde.
Cassians Körper ist hart wie Stahl und ruft mir in Erinnerung, dass er dazu geboren ist, ein Krieger zu sein. Hart und unnachgiebig. Aber ich fühle mich sicher in seinen Armen, seine Kraft
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