Firkin 04 - Hundstage
winterlichen angstarktischen Küstenbades, an dem man vorbeifuhr, das man ignorierte und von der Landkarte der Orte, die man gesehen haben muß, strich. Eine längst vergessene Touristenfalle. Die Thermalquellen rosteten vor sich hin, die Köder verschimmelten, die Drehkreuze – falls es hier je welche gegeben hatte – waren zur Unbeweglichkeit korrodiert.
Mancini blickte sich ungläubig um. Er rechnete mehr oder weniger damit, einen wäßrigen Idioten-Golfplatz oder ein paar rostende, im Wind quietschende Schaukeln zu sehen.
Sein Geist erinnerte sich an den Besuch des wohlhabend gekleideten Mannes mit dem Goldsack und bemühte sich, ihn in diese Szenerie einzupassen. Doch so sehr seine mentalen Fäuste auch gegen das Bild schlugen und den Versuch machten, es in das strudelnde Bilderpuzzle und die ihn umgebenden Gefühle einzufügen, es haute nicht hin.
Rutger spürte die Wolke der wild im Hirn des KUT kreisenden und umherschwirrenden Fragen und ergriff rasch das Wort, um Mancini von seinem irrtümlichen Ausgeplauder abzulenken.
»Wer, glaubt Ihr, wird in diesem Jahr die cranachische Meisterschaft im Kühewerfen gewinnen?« stieß er hervor. »Ich setze auf Bubi Holtz.« Mancini und Knapp waren, wie alle, die mit der Tätigkeit in Losa Llamas nichts zu tun hatten, ein gaffendes Sicherheitsrisiko; eine Katastrophe, die die Krone mit dem Bade ausschüttete, wie einer der rangniedrigeren Techniker gesagt hätte, der ständig irgendwelche Metaphern vertauschte. Je mehr Rutger die beiden Gäste ablenken konnte, desto besser.
»Hast du im Laterna-Magica-Palast schon mal Bello den Wunderhund gesehen?« erkundigte sich Rutger bei Knapp. »Ich finde es toll, wie er mit dem Schwanz wedelt, winselt und immer dafür sorgt, daß alles gut ausgeht. Hast du ihn schon mal gesehen?«
Warum Practz darauf bestanden hatte, einen Helfer von außerhalb zu engagieren, war Rutger völlig schleierhaft. In den 80-mm-Superthauminationen war es nie so kompliziert.
Mancini schaute sich um. Obwohl es ihn schon genügend überraschte, daß man niemanden sah und dem Ort etwas Theaterartiges anhaftete, war er äußerst fasziniert, als die Kutsche wendete und auf eine vor der Straße aufragende Erhöhung aus Gestein zufuhr, die von einem Haufen Bäume gekrönt war. Plötzlich zuckten die scheinbar natürlichen Holundersäulen vor seinen Augen, wankten kurz und teilten sich dann. Es war, als sei irgendein ekelhafter pflanzlicher Streit ausgebrochen, als fände es jede Reihe mit steigenden Säften absolut unerträglich, so nahe an kleingeistigen Exemplaren übergroßer Gebüsche angewurzelt zu sein. Die Bäume klappten auf der Bodenebene um, legten sich flach hin und gestatteten eine deutliche Durchfahrt zu der immensen moosbedeckten Erhebung, die dahinter aus dem Boden ragte. Augenblicke später setzte sich auch das uralte Gestein in Bewegung, als Kräfte, die über Mancinis begrenzten Horizont hinausgingen, anfingen, das metamorphe Gestein zu verformen. Ein gewaltiger Abschnitt polterte seismisch, als er im Boden versank und eine riesige Grotte enthüllte. Rutger grinste, als er die Rösser durch die Einfahrt in einen Raum hineinsteuerte, der nicht nur groß genug für das Gefährt war, sondern auch für mehrere Kathedralen und ein Dutzend Elefanten.
Die Rösser rutschten glatt hinein, und die klaffende Lücke im Angesicht des Gesteins schloß sich hinter ihnen.
»Willkommen in Losa Llamas«, sagte Rutger und breitete seine kurzen Arme so weit aus, wie es ging. Dann sprang er ab.
»Ah, da seid Ihr ja!« rief eine vertraute Gestalt, die mit entschlossenen Schritten über den Grottenboden kam. Hinter ihr schritt die bullige Gestalt eines Losa Llamasischen Portiers und Teilzeitwachmanns. »Wie ich mich freue, daß Ihr es geschafft habt! War wohl ein schlimmer Verkehr auf der Trans-Talpino-Handelsstraße, wie?« Practz warf einen Blick auf die komplizierte Anordnung der gläsernen, sandgefüllten Gefäße, die an sein Handgelenk gebunden war. »Ihr habt Euch verspätet. Wir haben Euch schon vor fünf Wendungen erwartet.« Während er sprach, drehte er ein kleines Glas und verschob eine Perle auf dem Abakus.
Mancini erkannte den Sprecher auf der Stelle wieder. Eins der Dinge, auf die er stolz war, war seine Fähigkeit, nie ein Gesicht zu vergessen, das jemandem gehörte, der ihm erst kürzlich einen Sack Gold überreicht hatte. Dieses Talent war aus Jahren völliger Armut geboren worden.
Leider hatte er nicht die Bohne Ahnung, wieso er sich
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