Firkin 04 - Hundstage
Handgelenk-Sonnenuhr und zählte die Bogensekunden. Er hatte sie von dem Gold, mit dem Practz ihn so großzügig versorgt hatte, speziell für diesen Job erstanden. Drei, zwei …
Ernstl zuckte ergeben die Achseln, hievte sich in eine aufrechte Stellung und latschte den Rest seiner Runde ab. Das Leben, dachte er träge, ist wirklich ein zu Kopf steigendes Gewirbel nie dagewesener Aufregung.
Mancini grinste noch einmal teuflisch, dann machte er eine Geste in Knapps Richtung, und ihm wurde ein schwerer Socken mit nassem Sand gereicht. Er pirschte leise um die Ecke, jagte hinter dem Losa Llamanischen Wächter her, drosch Ernstl mit einem Übelkeit erzeugenden Knirschen auf den Hinterkopf und sprang beiseite. Der umfangreiche Wachmann blieb auf der Stelle stehen, wankte kurz und fiel dann wie eine uralte monolithische Statue vornüber. Knapp widerstand irgendwie der Verlockung »Holzkopf!« zu schreien. Statt dessen hatte er wenige Sekunden später zwei Ellen Seil aus dem Sack gerissen, warf eine davon Mancini zu und war schon im Begriff, den unglücklichen Ernstl so rasch und so fest wie nur möglich zu fesseln.
Augenblicke später eilten die Eindringlinge zum Klang unhörbarer Schritte durch den Korridor und jagten aufgeregt eine steinerne Wendeltreppe hinab. Mancini zählte die Ausgänge, als sie tief in den gewaltigen Komplex der Tunnels vordrangen, aus denen Losa Llamas bestand; sie waren zwei magische Kugeln, bewaffnet und zu allem bereit.
»Siebenundzwanzig … achtundzwanzig … Hier. Dort entlang«, hauchte Mancini und deutete mit seiner Stablampe in die Düsternis eines Ganges.
Er fegte um die Ecke. Knapp folgte ihm auf dem Fuße. Ihr weichbesohltes Schuhwerk wirbelte winzige Staubwölkchen auf. Ihre Nerven lagen blank und lauschten dem kleinsten unerwarteten Geräusch.
Plötzlich hielt Mancini quietschend an. Seine Füße legten panisch den Rückwärtsgang ein, als hätte sich vor ihm im Korridor ein bodenloser Abgrund aufgetan. Knapp knallte mit vollem Karacho gegen Nancinis Rücken, schob ihn mehrere Zoll voran und verschrammte sich die Nase.
»Warum habt Ihr das getan?« knurrte er und rieb sich gereizt seinen Zinken.
Mancini hob den Stab und richtete das dunkelblaue Licht in die vor ihnen liegende Düsternis. Knapp trat vorsichtig vor und blickte verwundert auf den bodenlosen Abgrund, der hungrig vor seinen Füßen gähnte. Konstruierte Ränder stürzten von ihm fort, verschwanden in bodenloser Schwärze, und nirgendwo war ein Sims, der um ihn herumführte. Zum Springen war es zu weit. Unmöglich.
»Ich erinnere mich nicht daran, daß er hier war«, grunzte Mancini und peilte in den Abgrund.
»Ihr glaubt doch nicht, daß ich eine Leiter in meinem Sack habe, oder?« fauchte Knapp und wühlte in seinem Sack herum. »Ich glaube, ich habe vergessen, eine einzupacken.«
»Wie wunderschön er ist«, sagte Mancini bewundernd.
»Habt Ihr den Verstand verloren?« flüsterte Knapp. »Es ist eine Katastrophe.« Er schaute mit zusammengekniffenen Augen wie ein Schlüsselloch-Geophysiker in die Gedärme der Erde. »Da kommen wir nicht hinüber! Ich dachte, Ihr hättet all diese Dinge aufgezeichnet!«
»Habe ich auch«, sagte Mancini nachdenklich. »Ich erinnere mich nicht, schon mal hier gewesen zu sein.« Er erblickte eine leichte Chrominenzverzerrung auf der anderen Seite. »Ha! Sie haben ihn verlegt!«
»Was? Ist es einer der Abgründe, die Ihr gemacht habt? Ein PET-Abgrund?«
Mancini grinste, machte sich die geistige Notiz, das Realitätsschloß zu überprüfen, und trat mit der sicheren Zuversicht, nichts zu glauben, was sein Auge erblickte, ins Nichts hinaus. Tja, warum sollte er irgendwas glauben? Er hatte den PET-Abgrund vor zwei Wochen selbst erschaffen und passend gemacht. Nicht hier, wie er sich erinnerte, aber das spielte keine Rolle.
Seine Phantasie hatte in den Schnellgang geschaltet, um das umfassendste Sicherheitssystem aller Zeiten zu entwickeln, nachdem er die wissenschaftliche Kunst des Erschaffens erlernt hatte. Neben PET-Abgründen hatte er riesige PET-Steine installiert, die rollend durch die Gänge poltern sollten, um unachtsame Einbrecher mit dem Zerschmettertwerden zu bedrohen. Und dazu PET-Dämonen, die aus versteckten Ecken hervorbrachen und vergiftete, stachelbewehrte Zungen ausfuhren, und PET-Einhörner, die bereit waren, jederzeit aus den Wänden hervorzubrechen und sich an die Verfolgung jedes Invasoren zu machen. Ihre Hörner funkelten bedrohlich, ihre Hufe waren zum
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