First Night - Der Vertrag (German Edition)
und Julia dort abliefern.
Thomas kämpfte mit seinem inneren Schweinehund. Natürlich musste sie irgendwo ein Praktikum machen, das sah er ja ein. Und natürlich würde sie ihr Referendariat absolvieren , ihr Studium mit dem zweiten Staatsexamen abschließen und in zwei Jahren wäre sie Volljuristin und wenn sie es wünschte, würde er ihr sogar eine eigene Anwaltskanzlei kaufen. Aber es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass sie wirklich einem Beruf nachgehen wollte. Natürlich war sie nicht so ein Typ wie Ines, die von einem Kosmetikstudio zum nächsten tingelte und nicht wusste, wie sie die Zeit totschlagen sollte, aber irgendwie musste der Erzreaktionär in ihm erst einmal die Vorstellung verdauen, dass seine Frau ebenfalls jeden Morgen hinausziehen wollte, um zur Jagd zu gehen, anstatt zu Hause das Feuer zu bewachen.
Er zog sie zum Abschied noch einmal in seine Arme und küsste sie so tief und hart, dass sie im Laufe des Tages bloß nicht vergessen sollte, dass sie nur ihm gehörte. Benni brüllte ein angewidertes „Igitt!“ durch die Wohnung und Silvio wartete mit verschränkten Armen und tappte ungeduldig mit dem Fuß.
Und Julia küsste Thomas zurück. Und wie! Als wäre das der letzte Kuss ihres Lebens, als würde sie sich für immer von ihm verabschieden. Sie hielt se inen Kopf mit beiden Händen fest, schmiegte sich an ihn, als wollte sie mit ihm verschmelzen, und ihre Zunge streichelte ihn mit süßer Zärtlichkeit. Großer Gott, diese Frau wusste, wie man jeden einzelnen Moment des Lebens in eine Kostbarkeit verwandelte.
„Ich rufe dich später an, also drück mich nicht weg!“, flüsterte er auf ihre Lippen und dann wandte er sich an Silvio und registrierte dessen feindseli ge Körperhaltung.
„Gibt’s ein Problem, Seidlitz?“ Schon alleine der Tonfall reichte, um Silvios Pose zu verändern. Er legte seine Arme seitlich an und nahm eine gerade Haltung an.
„Soll ich Julia heute Abend nach Spandau zu ihrem Vater fahren?“
„Nein, das macht Brockmann.“
Und wenn Brockmann sie dort wieder abholte, dann würde Thomas mitkommen und egal, wie spät es werden würde, sie würde das romantischste Candle-Light-Dinner und den perfektesten aller Heiratsanträge bekommen. Woher wusste Silvio überhaupt, dass sie heute Abend zu ihrem Vater wollte? Er sollte sich bloß nicht zuviel herausnehmen, nur weil er einmal in seinem Leben eine gute Idee gehabt hatte.
„Kümmern Sie sich darum, dass Bennis Kinderzimmer vom Hackeschen Markt hierher umzieht. Mit Möbeln und Spielzeug und a llem.“
„Hat Eric schon veranlasst“, grummelte Silvio.
„Gut, und im Übrigen können Sie sich das abgewöhnen, meine künftige Frau beim Vornamen anzureden oder sie Küken zu nennen. Ich bin der Einzige, der sie so nennt. Verstanden?“
„Ja, Herr Mahler.“ Silvio stand jetzt stramm wie ein Gefreiter, es fehlte nur noch, dass er salutierte.
„Und noch was.“
„Ja?“
„Danke, dass Sie sie hergebracht haben! Das vergesse ich Ihnen nicht.“
***
Als Julia vor der Kanzlei aus dem Auto aussteigen wollte, fuhr ausgerechnet Raschberg Senior vor und sie ging in Deckung. Sie wollte nicht von ihm in einem fetten S-Klasse-Mercedes gesehen werden und hinterher unangenehme Fragen beantworten müssen.
Silvio lachte kopfschüttelnd. Er hatte wirklich schon zu viele Jahre als B odyguard für die Upper-Class fungiert und ganz vergessen, wie erfrischend eine normale Frau sein konnte. Nachdem Raschbergs Auto in der Tiefgarage verschwunden war, machte er ihr ein Zeichen und sie richtete sich auf dem Vordersitz wieder auf. Als sie gerade aussteigen wollte, hielt er sie am Handgelenk fest und zwang sie, ihn anzusehen.
„Sie brauchen keine Angst vor heute Abend zu haben“, sagte er etwas unwirsch.
Es war nicht seine Art, jemandem das Händchen zu halten oder i rgendeiner Tussi Mut zuzusprechen. Aber sie war nun mal nicht irgendeine Tussi und in Wahrheit sagte er es mehr zu seiner eigenen Beruhigung als zu ihrer. Wenn ihr etwas zustoßen würde, dann würde Mahler ihm bei lebendigem Leibe die Haut abziehen, und zwar ihm wahrsten Sinne des Wortes.
„Ja, ich weiß!“, antwortete sie und schaute ihn ungerührt an. Aber sie hatte Angst.
Sie hatte sich vor dem Treffen mit Morosow schon gefürchtet, bevor sie die Wahrheit über Maries Tod gekannt hatte. Aber jetzt, nachdem sie alles wusste, hatte sie abgrundtiefe Angst.
„Machen Sie alles ganz genauso, wie wir es besprochen haben, dann kann Ihnen gar nichts
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