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First Night - Der Vertrag (German Edition)

First Night - Der Vertrag (German Edition)

Titel: First Night - Der Vertrag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clannon Miller
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Männer – einer an der Tür zum Flur, der andere am Fenster. Und sie selbst setzte sich Morosow gegenüber, weil sie dringend festen Halt brauchte. Ihre Beine drohten nämlich, unter ihr wegzuknicken.
    Eine endlos lange Minute herrschte betretenes Schweigen zwischen ihnen, während dieser Zeit musterten die eisblauen Augen des Russen sie mit kalter Intensität. Suchte Morosow in ihrem Gesicht etwa Ähnlichkeiten zu Marie? Oder wollte er nur wissen, wie lange es dauerte, bis sie den Blick senken würde? Hoffte er, sie einzuschüchtern, damit sie sich in ihrer Aufregung verraten würde? Oder konnte er direkt in ihren Kopf schauen und dort die Falle entdecken?
    „Sie müssen nur bei der Wahrheit bleiben!“ , hatte Silvio zu ihr gesagt. „Geben Sie sich einfach so treuherzig, wie Sie sind, und er hüpft in Ihre Falle wie eine Fliege in das Honigglas.“
    Leichter gesagt , als getan, dachte Julia jetzt und kam sich ganz und gar nicht vor wie ein Honigglas und Morosow war ganz bestimmt nicht mit einer Fliege zu vergleichen, eher mit einer Hornisse.
    „Sie haben den Jungen also großgezogen?“
    Endlich ergriff er das Wort mit seiner rollenden, unfreundlichen Stimme.
    „Von großgezogen kann nicht die Rede sein. Benni ist noch nicht mal si eben und ich habe das Sorgerecht erst seit eineinhalb Jahren. Benni ist ein toller Junge. Er ist sehr groß für sein Alter. Er reicht mir schon bis zu den Schultern und er ist sehr hübsch und unglaublich intelligent …“
    Herrje, wie schwer es ihr fiel, diesem Mann, der ihre Schwester auf dem Gewissen hatte, das alles zu erzählen , als hätte er ein Recht darauf, es zu wissen, als hätte er ein Recht darauf, wie ein normaler Vater behandelt zu werden. Sie holte ihr Handy aus der Handtasche und sofort sprang einer der Leibwächter auf sie zu und riss ihr die Tasche mit grober Gewalt aus der Hand. Das Handy schlitterte über den Tisch.
    „Ich wollte Ihnen nur ein paar Bilder von Benni zeigen! Die sind auf me inem Handy.“
    Morosow sagte etwas in Russisch zu seinem Prätorianer und der gab die Handtasche zögerlich zurück, nicht ohne vorher einen Blick hineinzuwe rfen. Er würde dadrin nichts Interessantes finden. Ein paar Taschentücher, einen dauerleeren Geldbeutel, einen nie benutzten Taschenkalender und ein Schächtelchen mit Tampons, die sie in den nächsten Monaten vermutlich nicht mehr benötigen würde.
    Als sie die Fotodatei von Benni gefunden hatte, reichte sie das Handy an Morosow, und falls er Angst hatte, sie könnte eine Bombe oder sonst etwas in dem Handy versteckt haben, so ließ er sich die Angst zumindest nicht anmerken. Er klickte sich durch die Fotos, zuerst relativ schnell, als würden sie ihn nicht wirklich interessieren , und dann immer langsamer. Es waren ungefähr dreißig Fotos, die Benni zeigten, und manchmal auch sie beide zusammen. Auf dem Spielplatz, beim Schulfest, im Zoo, beim Eisessen, im Freibad, an seinem Geburtstag – eben all die Highlights, die ein beinahe Siebenjähriger im Laufe eines Jahres erlebt und offenbar ließen diese Highlights den eiskalten Killer doch ein ganz klein wenig auftauen.
    Nach einer Weile, während der er stumm und mit verschlossener Miene auf das Handy gestarrt hatte, legte er das Telefon vor sich auf den Tisch und legte seine riesengroße Hand darüber, als wäre es eine kleine Kostbarkeit. 
    „Der Junge sieht mir ähnlich!“, brummte er.
    „Warum haben Sie sich nie nach ihm erkundigt?“
    Sie versuchte , vorwurfsvoll zu klingen. Auch wenn sie die Antwort inzwischen kannte, musste sie so tun, als könnte sie das jahrelange Schweigen des leiblichen Vaters nicht verstehen. Sie hatte es bis vor ein paar Tagen auch nicht verstanden.
    „Ich habe nichts von ihm gewusst .“
    Der Klang seiner Stimme zeigte, dass er das wirklich bedauerte. Wenn alles nach seinen Plänen gegangen wäre, dann würde Benni heute russisch sprechen und eine fremde Frau Mama nennen. Aber so war es nicht gekommen, Marie hatte es nicht so gewollt. Sie hatte sich das Leben genommen, um dieses Szenario zu verhindern, und wie könnte Benni je einen Mann Vater nennen, der seine Mutter auf dem Gewissen hatte und ganz nebenbei noch etliche andere Menschen? In Julias Stimme war nichts von diesen Zweifeln zu hören, als sie antwortete:
    „Ich suche schon so lange nach Ihnen. Marie hat nie gesagt , wer Bennis Vater ist, und ich habe bis heute nicht verstanden, warum sie das unbedingt geheim halten wollte. Benni hat ein Recht darauf, Sie

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