Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
heimtückischer sieht er aus. Und tatsächlich, seit es diesen Papst gibt, verkaufen sich Papstbildchen und Papstsouvenirs lange nicht mehr so gut wie früher, die Leute wollen sie nicht haben. Viele in der Branche fürchten um ihren Job. Na ja, jedenfalls hat der Fotograf das Foto vom guten Papst gesehen und mich gefragt, wie ich es gemacht habe, und dann hat er mir fünftausend Euro angeboten, wenn ich es ihm in hochauflösendem Format schicke.«
»Ey boah, fünftausend Euro für ein Foto?«
»Ja, und dann hat er mich gefragt, ob ich noch weitere retuschieren kann. Er schickt mir die Vorlagen, und ich mach ein gutes Gesicht draus.«
»Und jedes Foto für fünftausend Euro?«
»Nein, ich lass mir eine Provision auf die Produkte zahlen, die es damit geben wird.«
»Lohnt sich das?«
»Papstbildchen, Kugelschreiber mit dem Papst drauf, Wanduhren, Kaffeetabletts, Teller, Kalender, Schürzen, Magnete, Barometer …«
»Okay, okay, es lohnt sich. Aber ganz bestimmt lohnt es sich nicht, das Geld mit mir und Giuliano zu teilen. Wieso machst du das?«
Stefano sieht mich an und antwortet dann mit der größten Selbstverständlichkeit: »Na, weil wir Freunde sind.« Er zuckt mit den Schultern und lächelt.
Stimmt. Wir sind Freunde. Wir sind sogar mehr als Freunde: Wir sind eine Band. Und seit heute Abend kann ich auch sagen, wir sind reich. Und ich möchte es überall herumerzählen, in diesem Scheißkaff und in der ganzen Welt.
Oder nein, eigentlich möchte ich es nur einer einzigen Person sagen. Ob sie wohl zu Hause ist? Störe ich sie, wenn ich jetzt bei ihr vorbeigehe? Liegt sie vielleicht schon im Bett? Ach was, Unsinn, es ist erst halb neun, sie ist zwar älter als ich, aber sie ist ja keine verblödete alte Schachtel, die nach der Quizsendung um sieben im Sessel einpennt.
Wie auch immer, ich hab Lust, zu ihr zu gehen, und ich tu’s. Reiche Leute sind da nicht zimperlich, reiche Leute fragen sich nicht lange, ob sie stören. Wir Reichen tun, was uns passt.
WEICHSPÜLER
»Ciao, ich bin’s, Fiorenzo.«
Stille. Dann: »Ciao, ja, ciao, Fiorenzo.« Tizianas Stimme vermutlich, auch wenn sie aus der Sprechanlage so blechern klingt wie die von Mazinga oder einem Killer-Androiden, der gerade in der Wohnung ein Blutbad angerichtet hat und mich jetzt reinlässt, um auch mich abzuschlachten. Aber die Stimme hat ja gar nicht gesagt, dass ich raufkommen kann.
»Ich war hier in der Nähe und … Wenn ich störe, geh ich wieder.«
»Nein, du störst nicht.«
»Ah, okay, gut. Also … dann komm ich rauf?«
Die Antwort lässt auf sich warten. Es vergehen gefühlte ein bis anderthalb Stunden, auch wenn die Uhr höchstens zehn Sekunden anzeigt. Aber was versteht schon eine Uhr? Dann endlich: »Ja, komm hoch, ich mach dir auf.« Und mit einem Klick öffnet sich die Haustür.
Ich nehme zwei, drei Stufen auf einmal, ich fühle mich stark, voller Energie. Ich bin ein reicher junger Mann und hole ein schönes Mädchen ab, um sie mit einer Essenseinladung zu überraschen und ihr alles Erdenkliche zu bieten, denn ich bin reich und kann es mir leisten.
Aber dann kommt oben ein Mann aus Tizianas Wohnung. Er ist nicht schlecht gebaut und ungefähr in ihrem Alter, und die Art, wie er mich angrinst, gefällt mir ganz und gar nicht. Mit einem Bein stehe ich auf dem Treppenabsatz, und mein Herz schlägt so verrückt, als wollte es die Rippen sprengen und ausbrechen. Ich kann das verstehen. Würden meine Beine tun, was ich will, würde ich vielleicht auch abhauen.
»Du bist kleiner Freund von Tiziana, was?«, fragt er, und sein Grinsen wird noch breiter.
»Ja, wieso? Ist das ein Problem?«
Jetzt taucht auch Tizianas pummelige Mitbewohnerin an der Tür auf, heute Abend keine Heulsuse, sondern in Hochstimmung. Sie schmeißt sich dem Typen an den Hals, was ihn fast umhaut, und so gehen sie eng umschlungen die Treppe runter. Im Vorbeigehen zwinkert er mir zu und gibt mir einen Klaps auf den Hinterkopf, aber das ist okay. Ich war eine Minute tot und bin wieder ins Leben zurückgekehrt, jetzt bin ich unsterblich. Unverwundbar.
Ich betrete die Wohnung und sage Hallo, auch wenn Tiziana nirgends zu sehen ist. Ich höre nur ihre Stimme, die sagt, sie würde gleich kommen. Ich nicke und atme tief durch. Der Kanalgeruch war noch nie so angenehm.
»Stör ich?«, frage ich vor ihrer Zimmertür.
»Nein. Ich hab dich nur nicht erwartet, ich …«
»Wenn’s dir nicht passt, geh ich wieder.«
»Nein, es passt mir schon, nur steh ich,
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