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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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halte –, und das Erste, woran ich mich erinnere, ist meine Frage an Tiziana, ob ich ins Bad gehen kann. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund habe ich sie dabei gesiezt: »Entschuldigen Sie, kann ich mal das Bad benutzen?« So hab ich das gesagt, ich schwör’s.
    Jetzt stehe ich also hier im Bad vor dem Spiegel: Wenn es meiner wäre, würde ich mir ins Gesicht spucken. Tiziana nebenan, wie ihr wohl zumute ist? Und ich weiß, dass mir das Schlimmste noch bevorsteht: der peinliche Moment, wenn ich hier rausgehe und wir uns gegenüberstehen. Was werde ich ihr sagen, was wird sie mir sagen, was werden wir machen?
    Ich reiße das Fenster auf, um frische Luft zu schnappen. Unten ist eine Terrasse, die zu einer zweiten führt, und ein Abflussrohr, das weit genug von der Wand absteht, dass ich mich ganz leicht daran runterhangeln kann. Und eins und eins macht bekanntlich zwei.
    Ich schlüpfe in die Hose und bin schon aus dem Fenster. Mit dem rechten Arm klammere ich mich an das Rohr, mit der Hand halte ich mich fest, so gut es geht, die Mauer brennt unter meinen nackten Füßen, tut aber als Bremse gute Dienste. Dann ein Knacken, und das Rohr löst sich aus der Halterung. Mir stockt der Atem. Jetzt falle ich also und sterbe, nichts ist sicherer als das. Ich bin außerstande, auf einem Bett sitzend ein Stückchen Gummi abzurollen, und jetzt will ich mich an einem rostigen Abflussrohr eine Hausmauer runterlassen?
    Klar, dass das nicht funktioniert. Logisch, dass ich jetzt sterbe.
    Doch jeder Logik zum Trotz schaffe ich es bis kurz über den Boden und springe. Der Kies unter meinen nackten Füßen tut tierisch weh, aber das ist die gerechte Strafe. Statt auf glühenden Kohlen zu laufen oder mir Peitschenhiebe zu versetzen, um alle meine Schandtaten zu sühnen, trete ich eben mit nackten Füßen auf Steine und Glasscherben. Ich beklage mich nicht, ich habe es nicht anders verdient.
    Ich gehe jetzt absichtlich schnell und trete so fest auf, dass mir bei jedem Schritt ein stechender Schmerz bis ins Gehirn fährt, aber das ist in Ordnung, vollkommen in Ordnung, ich muss fast lachen.
    Mit nacktem Oberkörper schwinge ich mich auf den Roller. Die Luft ist inzwischen kalt bis eisig, aber auch das ist eine gerechte Strafe: Nach seinen frevelhaften Taten lief er über Scherben und erduldete auf dem langen Weg nach Hause die frostige Kälte, um seine Missetaten zu sühnen.
    Doch offensichtlich ist meine Buße damit längst nicht abgegolten, denn als ich um Mitternacht hundemüde und halb erfroren am Laden ankomme und mich nur noch aufs Bett schmeißen und alle Triebwerke abschalten möchte, sehe ich auf dem Gehweg vor dem Schaufenster mit dem heruntergelassenen Rollgitter etwas aufgeblasenes Gelbes liegen. Es könnte ein Sack sein, eine Plane oder ein Haufen Müll.
    Aber es ist der kleine Champion.

TIZIANA VOR DEM SPIEGEL
    Du stehst da, die Hand am Waschbecken, und starrst auf das Fenster. Es ist offen, und der Vorhang bewegt sich leicht in der Brise. Wie im Comic, wenn einer sich gerade davon gemacht hat.
    In der Tat, eine Szene wie aus einem Comic, aber dann siehst du dich im Spiegel und denkst, dass kein Kind einen solchen Comic zu sehen bekommen sollte.
    Du bist zerzaust, verquollen, die übliche Haarsträhne ist dir ins Gesicht gefallen.
    Du blöde Kuh.
    Wenn du dich wegen dieses ersten Kusses im Büro eine blöde Kuh genannt hast, was sollst du dann jetzt sagen? Du betrachtest dich im Spiegel und weißt es nicht. Du bist blass, hast Ringe unter den Augen. Siehst aus wie mindestens hundertfünfzig. Deine rechte Hand ist noch ganz rot von dem Verband, du hattest ihn zu fest gebunden. Gibt es etwas, was du gut kannst, Tiziana? Wenn ja, dann weißt du es nicht. Du weißt gar nichts.
    Nicht einmal, was du dir dabei gedacht hast, als du einen milchgesichtigen Jungen gepackt, aufs Bett gezerrt und angefangen hast, ihn auszuziehen. Es war kein gestandener Kerl, keiner dieser Typen, von denen Raffaella sagt Die feiern mit sechzehn Orgien und haben mehr Ahnung als du und ich zusammen .
    Nein, auf deinem Bett lag ein Junge, der keinen Schimmer hatte, was er da tat. Du hast es mit den Fingern und mit dem Mund gespürt. Er hörte gar nicht mehr auf zu zittern, und die Ausrede, du wärst im Eifer des Gefechts einfach nicht mehr ganz bei Sinnen gewesen, kannst du nicht gelten lassen. Denn er hat dir tausend Gelegenheiten gegeben, die Glut abzukühlen und alles abzubrechen, aber du hast immer weitergemacht.
    Wir sollten jetzt lieber

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