Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
Fiorenzo, es ist nichts .
Und deshalb habe ich trotz der Ärzte, des Leichenbestatters und der Sargkataloge an jenem Tag, dem achtzehnten März letzten Jahres, mein Handy rausgeholt und die Nummer meiner Mutter gewählt, ich schwöre es bei Gott. Ich stand da, das Handy am Ohr, und mein Blick ging über die weite Ebene. Tuuuut (aus irgendeinem Grund war das Freizeichen zu hören), tuuuut , und erst beim dritten tuuuut hab ich’s begriffen.
Der Schmerz der Erkenntnis schnürte mir die Kehle zu, stieg wie eine Urgewalt in mein Gehirn und löschte alles aus. Dunkelheit. Rabenschwarze Dunkelheit.
In diesem Augenblick wurde mir klar, dass das Handy meiner Mutter ewig klingeln würde, dass sie mich nicht mehr hören konnte und niemals erfahren würde, was mir zugestoßen war. Das Handy würde klingeln, aber meine Mutter würde nie mehr abheben. Denn meine Mutter war tot. Sie starb vergangenes Jahr am achtzehnten März. Ungefähr hier an dieser Stelle, inmitten der von Kanälen durchzogenen Felder, als mein Handy zum dritten Mal klingelte.
DIE TURNSTANGE
Auch Stefanino hat die Schule geschwänzt.
Er hat seit drei Tagen kein Auge zugemacht, und zwischendurch ist ihm schwindlig. Im Unterricht wäre er fast eingenickt, und hätte der Lehrer es gemerkt, hätte er Stefanino einen Eintrag ins Klassenbuch verpasst, was ihm den Gesamtdurchschnitt einer Vier versaut hätte, für den er sich das ganze Jahr über so abgemüht hat. Und das ausgerechnet jetzt, kurz vor dem Abitur, achtundfünfzig Tage vor der Prüfung.
Aber nicht die bevorstehende Abiturprüfung raubt ihm den Schlaf. Der Grund für seine Angst liegt zeitlich sehr viel näher und heißt PontedeRock Festival. Morgen Abend wird Metal Devastation zum ersten Mal live vor einem richtigen Publikum spielen.
Wahnsinn. Stefanino war überzeugt, die Organisatoren würden uns ablehnen. So ist es bis jetzt ja immer gelaufen. Fiorenzo und Giuliano fragen überall herum, ob sie spielen können, und alle sagen Nein danke oder noch öfter einfach nur Nein .
Und jetzt haben die von Pontedera Ja gesagt. Wenige Tage vor dem Festival. Bestimmt hat eine andere Gruppe in letzter Minute abgesagt, weil sie einfach keinen Bock hat, vor einem Haufen wildgewordener Jugendlicher zu spielen, die nur darauf warten, einen fertigzumachen.
Ähnlich wie im Schulsport, beim allmonatlichen Kletterwettbewerb von Lehrer Venturi (verflucht sei er bis in alle Ewigkeit), bei dem sich die Schüler an der Turnstange festklammern und sich an ihr hochziehen und oben die Querstange berühren müssen. Der Lehrer stoppt die genaue Zeit und aktualisiert die Position der einzelnen Schüler in der Gesamtbewertung. Am Ende setzen sich dann alle im Kreis hin und genießen den vergnüglichsten Teil der Veranstaltung. Wenn Stefano an der Reihe ist.
Stefano klammert sich mit verdrehten Armen an dieser verdammten Stange fest, schaut senkrecht nach oben und fixiert den Punkt, den er erreichen soll. Er versucht es, kommt aber keinen Zentimeter hoch, unerhörterweise bleiben seine Füße wie angewurzelt am Boden. Doch Venturi (der Mistkerl) stoppt trotzdem die Zeit, alle dreißig Sekunden bringt er das Publikum auf den neuesten Stand. Er tut, als würde er gleich einschlafen, und gähnt, so dass alle lachen. Stefanino starrt nach oben, verkrampft Arme und Beine und zieht dabei ein Gesicht, als säße er auf dem Klo. Er wartet darauf, dass der Lehrer endlich sagt Basta, basta, Berardi, lass gut sein.
Aber der Lehrer zieht die Sache genüsslich in die Länge, er führt Stefano regelrecht vor, mindestens fünf Minuten lang, angeblich, um ihm eine Chance zu geben. Wenn alle genug gelacht haben, lässt er mit dem immer gleichen Satz von ihm ab: Berardi, komm schon, lass die Stange los und geh dich umziehen, ich hab Weihnachten schon was vor .
Dann die letzte Lachsalve, alle wiehern und stoßen sich gegenseitig an und wiederholen Weihnachten, Weihnachten, hahaha . Hochrot im Gesicht, verschwitzt und mit beschämt gesenktem Blick löst sich Stefano von der Stange. Das einzig Gute in diesem fürchterlichen Augenblick ist, dass es bis zum nächsten Kletterwettbewerb nun volle vier Wochen dauert.
Doch letzte Woche, als er die x-te Demütigung hinter sich gebracht hatte und gerade die Umkleide ansteuerte, hörte er aus der Turnhalle Fiorenzos Stimme. Sie ließ die ganze Klasse erstarren, ganz besonders aber ihn, Stefano.
»Herr Lehrer, ich weiß nicht, wer dümmer ist: Sie, weil Sie immer denselben lahmen Witz machen, oder
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