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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Tassen sind besser als große Tassen . Okay, was heißt das? Vielleicht sind die kleinen Tassen die alltäglichen kleinen Freuden, die besser sind als der umwerfende große Erfolg, den es eh nicht gibt und der dir das Leben zur Hölle machen kann? Oder ist die kleine Tasse dieser verdammte kleine Champion, der besser ist als ich, die große, unnütze Tasse, die man getrost wegwerfen kann?
    Und wie soll ich mich verhalten, soll ich trocken sein, also schroff und unnachgiebig? Aber die Welt um mich herum ist doch schon schroff und unnachgiebig, sprich trocken wie das mit Spanferkel belegte Brot. Soll dann also ich, die porchetta , saftig sein? Oder soll ich einfach fortgehen und fertig, so wie das Hündchen der Philippinerin, weil es schon spät ist und es hier für mich ohnehin nichts mehr zu holen gibt und …
    Nein, ich hab das Gefühl, die Top-Empfehlung funktioniert heute nicht. Ist meine Schuld, ich bin zu nervös und mache irgendwo einen Fehler. Bei dieser Kombination von Sätzen kommt alles und nichts raus, unbrauchbares Zeug, wie es Menschen von sich geben, die du tatsächlich um Rat fragst und die dir irgendwas antworten, was ihnen gerade in den Sinn kommt, weil du ihnen schnurzegal bist.
    Nein, heute will es einfach nicht klappen, das spüre ich. Und deshalb mache ich es so: Ich baue gar nichts zusammen, ich interpretiere nichts, überhaupt nichts. Ich nehme nur den letzten Satz, den ich gehört habe, und halte mich an ihn: Freundlichkeit bringt gar nichts. Wir haben bisher nur zugeguckt wie die Schafe, und die haben das ausgenutzt, aber jetzt reicht’s!
    Genau, jetzt reicht’s. Die Alten in der Jugendinfo wussten Bescheid, das hab ich sofort gemerkt an der Art, wie sie sich gegenseitig angeschaut haben. Diese Leute fackeln nicht lange rum, genauso wenig wie ich. Es reicht. Sonst wirst du bloß ausgenutzt. Ab heute mach ich ernst, tut mir leid für diejenigen, die mir in die Quere kommen.
    Als Erster ist der kleine Champion aus dem Molise dran, der um zwei in den Laden kommt.
    Und um ihn tut es mir kein bisschen leid.

DER REGEN IM PINIENHAIN
    Es ist zwei Uhr. Oder vielmehr vierzehn Uhr und drei Minuten, und der kleine Champion verspätet sich. Kann sein, dass die Uhren nicht ganz synchron gehen, seine zeigt vielleicht Punkt vierzehn Uhr und die hier im Laden drei Minuten nach, aber ich bin nun mal hier, und für mich zählt das, was ich hier sehe. Außerdem bin bei dieser Sache mit der Nachhilfe ich der Lehrer und somit der Boss, folglich ist meine Uhrzeit die maßgebliche. Und so liefert mir der kleine Champion einen weiteren Grund, erbarmungslos mit ihm zu sein.
    Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen nervös bin. Was heißt ein bisschen? Ich bin nervös und damit basta. Seit fünf Monaten höre ich von dieser Nervensäge aus dem Molise: Alle grüßen ihn und danken ihm und umarmen ihn, und ich habe als Einziger noch nie ein Wort mit ihm gewechselt. Mein Vater kennt kein anderes Thema mehr, genauso wie die Kunden hier im Laden, die Zeitungen, die Leute auf der Straße. Alle reden von dem kleinen Champion und von der großen Chance für unser Dorf.
    Denn in Muglione sind keine berühmten Leute geboren, es haben keine hier gelebt, und es haben sich nicht mal welche hierher verirrt. Wir haben weder Thermen noch an Wunder erinnernde Bildstöcke, weder historische Schätze noch andere Ressourcen, die wir nutzen könnten. In Muglione gibt es nichts, abgesehen von den Kanälen, der Hauptstraße und den flachen, stoppeligen Feldern. Und uns natürlich, uns. Nach all den Jahren der Demütigungen, die uns die Ortschaften der Umgebung zugefügt haben, ist der kleine Champion ein Geschenk des Himmels.
    Perignano ist die Stadt der Möbel, Casciana besitzt Thermen, in Palaia stolpert man auf Schritt und Tritt über archäologische Funde. Und Peccioli, Peccioli ist der Feind Nummer eins. Früher war es ein noch trostloseres Nest als Muglione, aber dann hat man dort diese hypermoderne Müllverbrennungsanlage gebaut, und der Ort ist zu Hollywood mutiert. Theater, Festivals, VIPs, keine Steuern, keine Stromrechnungen. Und Muglione hatte das Nachsehen.
    Deshalb bringt die Geschichte mit dem Superrennfahrer diese Schwachköpfe hier auch zum Träumen. Jetzt kann man den Namen Mugliones im Sportteil der Lokalzeitungen lesen, und je größer der kleine Champion wird, desto größer wird auch der Ruhm des Dorfes. Den Kleinen müssen wir uns warmhalten, mit jeder Altersklasse, in die er aufsteigt, müssen wir ihm einen

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