Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
adäquaten Sportverein bieten, Stufe um Stufe bis hinauf zum Profiradsport, zum Giro d’Italia, zur Tour de France, zu den Weltmeisterschaften.
Muglione Weltmeister! , habe ich Signor Bindi einmal sagen hören, während er das Rollgitter seiner Metzgerei hochzog. Das Schlimme dabei ist, dass keine Menschenseele weit und breit zu sehen war, er sagte es zu sich selbst. Muglione Weltmei…
Aber da ist er ja, der künftige Weltmeister.
Er steht vor dem Eingang, sieht das Schild GESCHLOSSEN und traut sich nicht, die Tür zu öffnen. Er schirmt seine Augen mit der Hand ab und linst durch die Scheibe. Ich mache ihm ein Zeichen, hereinzukommen, aber er weiß nicht, wie er das anstellen soll.
»Du brauchst nur gegen die Tür zu drücken!«
Er sucht sie ab, schaut wieder herein, nichts.
»Drücken!«
Endlich streckt er die Hand aus, und die Tür geht auf. Die Klingel macht Pling , und er erschrickt. Dann tritt er ein. Die Tür geht wieder zu, und wir sind allein, er und ich.
Stille.
Ich sage: »Fünf Minuten Verspätung. Nicht schlecht für den Anfang.« Ich bringe den rechten Arm für den Handschlag in Stellung und kann mir ein teuflisches Grinsen nicht verkneifen. Der Handschlag ist nämlich das Peinlichste überhaupt, wenn einer der beiden gar keine Hand hat. Der andere streckt mit einem gelassenen Lächeln den Arm vor, er spürt keinen Händedruck, schaut nach unten, um nachzusehen, was los ist, und plötzlich entdeckt er, dass da gar keine Hand ist, die er drücken könnte. Jetzt weiß er nicht, was er tun soll, was soll er bloß machen? Seine Hand hängt in der Luft, zurückziehen kann er sie nicht, das wäre zu peinlich. Er kann nur die Hand ausgestreckt lassen und hoffen, so schnell wie möglich im Erdboden zu versinken.
Ein echtes Dilemma also. Doch um das Ganze zu vermeiden, reicht es, sofort die linke Hand auszustrecken, wie ich das normalerweise tue, und schnell die rechte Hand der Person zu ergreifen, die man dir vorstellt. Die versteht zwar nicht auf Anhieb, drückt sie aber dennoch, und die Sache ist erledigt.
Diesmal aber, bei dem kleinen Champion, will ich gar nichts vermeiden, im Gegenteil. Ich sehe ihn schon vor mir, wie er einen Schritt auf mich zu macht und die Hand ausstreckt und dann beschämt stehen bleibt.
»Freut mich«, sage ich und beuge mich über den Ladentisch. »Freut mich.«
Er kriegt den Mund nicht auf. Er kommt ein bisschen näher heran, hält aber die Arme hinter dem Rücken.
»Freut mich, ich heiße Fiorenzo.« Ich bewege den Arm, den ich aber immer noch versteckt halte. Mehr kann ich nicht tun. Das Problem ist, dass er nichts macht, er deutet mit niedergeschlagenen Augen eine Verbeugung an und steht einfach da. Dieses Arschloch.
»Los, setz dich.« Ich nehme meinen Platz hinter dem Ladentisch wieder ein. In der Ecke, vor den Taschen für die Angelruten, steht ein Hocker. Nach einer Weile entdeckt er ihn, geht hin und setzt sich.
»Doch nicht dort, bring ihn her! Los, Beeilung, ich hab keine Zeit zu verlieren.«
Er zieht den Hocker scharrend über den Boden, bei dem Geräusch tun mir die Zähne weh.
»Also, soviel ich weiß, bist du in der Schule in allen Fächern schlecht, stimmt’s?«
Er nickt aufmerksam, macht aber den Mund nicht auf.
»Hey, bist du stumm? Ich hab dich gefragt, ob das stimmt.«
»Ja, Signore«, sagt er. Er hat mich Signore genannt. Mit der Stimme eines aus dem Nest gefallenen Vögelchens, umzingelt von Katzen, Hunden und Mähmaschinen.
»Aber Mathe und Physik und so erklär ich dir nicht, okay? Die Fächer kann ich nicht leiden.«
»Mit denen hab ich auch keine Probleme, Signore.«
»Wie meinst du das?«
»Die Lehrer sind Radsportfans. Ich gebe leere Blätter ab und bekomme trotzdem eine Vier.«
»Ah. Okay. Da hast du ja Glück, Kleiner. Da hast du ja wirklich Glück.«
Widerlich. So ein Scheißland. Ein Lehrer pfeift auf seine Berufsehre, nur weil einer schnell Rad fahren kann. Wie die Gemeindepolizisten: Seitdem dieser verkackte kleine Champion hier ist, hat mein Vater keinen einzigen Strafzettel mehr bekommen. Vorher musste er ständig zahlen: zu schnell oder bei Rot über die Ampel gefahren, in der Fußgängerzone geparkt. Jetzt braucht er nur zu sagen, er müsse etwas für Mirko besorgen, schon sind sämtliche Verkehrsregeln außer Kraft gesetzt.
»Und der Italienischlehrer?«
»Es ist eine Lehrerin, Signore. Sie macht das nicht.«
»Mag sie keinen Radsport?«
»Sie meint, Sport ist Opium fürs Volk.«
Während der kleine Champion
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