Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
er wollte die Frau von einem seiner Bauern vögeln, der gerade geheiratet hatte. Der Bauer hatte was dagegen, und zur Strafe ließ ihm der Baron die Hand abhacken. Jahre später kehrt dieser Bauer als Gespenst zurück und bringt die Leute um, und weil er schon mal dabei ist, vergewaltigt er auch noch die Baronesse in ihrer Hochzeitsnacht.
Im Verlauf des Films bringt das Gespenst alles um, was ihm über den Weg läuft. Dem einen sticht es die Augen aus, einen Arzt erschlägt es mit Knüppelhieben, und eine Frau wirft es den Hunden zum Fraß vor. Aber das wirklich Gruselige geschieht gegen Ende des Films, als die Musik immer lauter wird und die Zuschauer sagen O nein, das ist zu viel! Als nämlich die Baronesse das Neugeborene zum ersten Mal in den Arm nimmt und es betrachtet, stellt sie fest: IHM FEHLT EINE HAND!
Schreie, Musik in voller Lautstärke, der blanke Horror.
Was ich damit sagen will: Es sind ’ne Masse Leute krepiert, man hat abgeschlagene Köpfe und blutige Leichen gesehen, und da soll der wahre Fluch in dem Film tatsächlich diese fehlende Hand sein? Das finde ich absurd, ich halte das für verrückt, aber zugleich kommt es mir auch wiederum sehr realistisch vor. Nur dass in der Wirklichkeit ich für das Neugeborene stehe und Tiziana von der Jugendinfo für die schreiende Baronesse.
Ich muss zugeben, dass diese Vorstellung mir ziemlich Angst macht.
Doch dann sehe ich, dass sich das Wasser leicht bewegt. Um den Schwimmer herum hat sich ein Kreis gebildet. Dann noch einer und noch zwei weitere Kreise. Das bringt meine Gedanken zurück ins Hier und Jetzt und lenkt sie aufs Wasser. Ich packe die Angelrute ganz fest.
Der Schwimmer dreht sich fast unmerklich, neigt sich, bleibt so. Na los, zieh ab, mach schon …
Ein kleiner Schlenker, und langsam kommt der Schwimmer in Fahrt und beschleunigt, der Fisch ist da und verlangt meine ganze Aufmerksamkeit.
Danke, mein Freund, vielen Dank. Aber du weißt ja auch, dass ich dich sowieso wieder freilasse.
EXCALIBUR
Heute Abend bin ich mit meinen Kumpels losgezogen, und wenn ich losziehen sage, meine ich ins Excalibur gehen, einen Pub etwas außerhalb, mitten im berühmten Gewerbegebiet, das Muglione den Anschluss an die Weltwirtschaft bringen sollte, aber gerade mal den an die Kanalisation geschafft hat.
Das Excalibur ist der einzige Ort, an dem wir uns halbwegs wohlfühlen, die Musik ist erträglich, und keiner lacht, wenn wir reinkommen. Vielleicht weil kaum jemand da ist, oder weil die paar Gäste noch weniger hermachen als wir.
Wir wollten über die Band sprechen und darüber, wie es nach Pontedera weitergehen soll, aber Antonio ist nicht gekommen, und da hab ich die irre Geschichte erzählt, die mir in der Jugendinfo passiert ist. Aber das war ein Fehler, denn Giuliano hat sofort angefangen, über die Frauen herzuziehen, die alle Nutten seien. Dann kam der Wirt, den alle nur Scaloppina nennen, Schnitzel, und hat in dieselbe Kerbe gehauen. Und wenn wir ein Klischee über die Frauen ausgelassen haben, tut’s mir leid, weil wir alle anderen bedient haben, da hätten wir das auch noch mit verbraten können.
Im Excalibur über Frauen zu reden ist sowieso das Absurdeste, was man sich vorstellen kann. Ich habe hier noch nie eine gesehen. Zwei Billardtische, ein Flipperautomat und ein Kickerspiel, an der Wand ein Poster von Bruce Springsteen, eines mit einem dreckspritzenden Lancia Delta Integrale bei einer Rallye, eines von der italienischen Fußballnationalmannschaft 1982 und eines von Sabrina Salerno mit knapp sitzendem Jeanshöschen und nackten Titten. Jemand hat ihr einen Schwanz neben den Mund gemalt. Nein, das hier ist kein Ort für Frauen. Einmal bin ich zum Pinkeln auf die Damentoilette, weil die für Herren besetzt war. Sie war NAGELNEU.
Aber es war ein kurzer Abend. Jetzt ist es ein Uhr, und wir sind alle schon wieder zu Hause. Das heißt, Giuliano und Stefano sind zu Hause, ich sitze hier zwischen meinen Würmern in der Kammer.
Antonio ist bis zum Schluss nicht gekommen. Irgendwann hat er eine SMS geschickt, es würde später werden, dann noch eine, dass es noch später würde, dann nichts mehr.
Und ich möchte jetzt schlafen. Morgen geh ich höchstwahrscheinlich wieder in die Schule, ich hab mich schon eine ganze Weile nicht mehr dort blicken lassen, und in sechs Wochen beginnt die Abiturprüfung. Ich steh auf der Kippe und kann es nicht fassen.
Bis letztes Jahr war ich gut in der Schule, sogar sehr gut. Aber das waren andere Zeiten. Ich
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