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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Brust.
    »Umkehren? Das wäre töricht. Hörst du nicht den Gesang der Zikaden?«
    »Nein.«
    »Sie singen vor Freude, dich hier zu sehen, ihre Göttin, die Göttin des Waldes. Eine Nymphe bist du.«
    »Ich?«
    »O ja, glaub mir, du bist eine Nymphe. Das war offenkundig von dem Moment an, als das großmütige Schicksal mir erstmals deinen Anblick gewährte.«
    »Ich danke Euch, aber jetzt möchte ich wirklich kehrtmachen. Der Boden ist auch schon ganz nass.«
    »Das sind die Säfte der Welt, die deine Anmut fließen lässt, und du bist betrübt? Gehen wir noch ein Stück weiter, ich kenne ein liebliches Plätzchen im Dickicht, dort sind wir geschützt und können uns der Harmonie der Natur hingeben, wie es den Göttern gefällt.«
    »Ihr schmeichelt mir, aber diese Geräusche … gibt es dort nicht Schlangen, Spinnen, Pilze …«
    »Aber nein, hörst du aus dem Schlick nicht den Gesang? Auch die Frösche stimmen ein, zum Ausdruck ihres ganzen …«
    »Frösche? Du meine Güte, wie eklig! Da wären wir wohl besser im Landhaus geblieben.«
    »Nur zu gern, o Nymphe, aber im Landhaus war dein Gatte.«
    »Ich bitte Euch, Seher, lasst mich gehen, womöglich ist es die Natur selbst, die uns ermahnen will, keine Dummheiten zu machen.«
    »Nicht doch, die Natur lädt uns ein zu verweilen, zu lieben. Was verstehst du davon? Willst du es etwa besser wissen als ich? Ich bin der Seher, komm …«
    Doch plötzlich dreht sich die Nymphe um und enteilt mit schnellen Schritten. Sie stolpert, ohne zu fallen, rafft sich wieder auf und sucht das Weite. Der Seher folgt ihr, vom jähen Ende des innigen Liebeständelns verstört.
    »Fliehe nicht, fliehe nicht, du leichtfüßige Nymphe, dein Herz ist ein Pfirsich.«
    Die Nymphe schert sich nicht um ihn und läuft weiter.
    »Deine Zähne sind wie Mandeln.«
    Wieder verpufft die Wirkung.
    Da macht der Seher einen verzweifelten Sprung und erwischt gerade noch den Saum ihres wehenden Gewandes, das zerreißt und die Nymphe nackt aus dem Pinienhain entlässt, hinaus auf den Weg und in die schnöde Welt des Lichts und der indiskreten Blicke. Der Dichter bleibt stehen, in der Hand ein lebloses Stück Stoff, flüchtige Erinnerung an die Schönheit, die ihn eben noch beseelte. Er sieht der fernen Geliebten nach, streckt den Arm nach ihr aus, sein aufgewühltes Herz hebt zur Klage an:
    »Dann hau doch ab, du blöde Hure! Erst geilst du einen auf, sagst, dass der Pinienwald dich ganz heiß macht, und wenn du dann drin bist, kriegst du’s mit der Angst … Nutte!«
    Erschöpft lässt der Seher den blütenweißen Schleier in den Staub fallen und lehnt sich gegen den rauen Stamm einer Schirmpinie, dann wendet er den Blick zur Seite.
    Er dreht sich zu dir.
    Und durchbohrt dich mit seinem stechenden Blick. Sein nach oben gezwirbelter Schnurrbart sucht seinen Platz zwischen der großen Nase und dem wie ein Hühnerpopo geformten Mund. Seine Lippen öffnen sich, er spricht.
    »Ach, wie dumm ich doch bin, die war ohnehin frigide. Ich hätte es gleich mit dir versuchen sollen.«
    Du siehst ihn an, zeigst auf dich: »Mit mir?«
    »Klar, mit dir. Tiziana, du trägst den Namen einer Göttin. Dein Haar ist schwarz wie die Nacht und zerwühlt wie Zirruswolken am Himmel und …«
    »Aber ich …«
    »Hör zu, du Schöne, stell du dich jetzt nicht auch noch an, mir reicht’s nämlich langsam. Weiß doch sowieso jeder, dass du ein Flittchen bist.«
    »Was erlauben Sie sich! Der Krieg hat Ihnen wohl im Kopf geschadet.«
    »Ach ja? Und das Geknutsche mit diesem Jungen, wie erklärst du mir das?«
    »Woher wissen Sie das, wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Ich habe meine Quellen.«
    »Gut, aber da war ja nichts weiter, es ist einfach über mich gekommen, ich weiß selbst nicht, wie. So was ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert, aber ich habe sofort gesagt, stopp, es reicht, und mich gleich wieder in den Griff bekommen. Und Sie, mit welchem Recht beurteilen Sie eine Frau nach einer einzigen Minute ihres Lebens, die mit ihrem sonstigen Verhalten überhaupt nichts zu tun hat?«
    »Okay, du Schöne, okay, aber dann erklär mir mal eins … wenn es dich nur mal kurz überwältigt hat, warum willst du ihn dann jetzt anrufen?«
    Du siehst ihn an. Er verzieht diesen ekligen kleinen Mund zu einem Grinsen. Der gewichste Schnurrbart darüber verzieht sich mit. Das ist der widerlichste Mensch, dem du je begegnet bist.
    »Unterstehen Sie sich …«
    »Sag schon, warum willst du ihn anrufen, na?«
    »Ach, ich …

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