Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive
nervt, sonst vergiss es sofort wieder, dann reden wir von was anderem.«
»Schon gut. Es war ein Unfall mit Knallkörpern.«
»O Mann. An Silvester?«
»Nein, im Juli. Ich war vierzehn.«
»Mein Gott, Fiorenzo, das tut mir so leid. Bringt es was, wenn ich dir sage, es tut mir leid?«
»Eher nicht, aber das sagen mir viele.«
»Siehst du, das tut mir auch leid.
»Nein, nein, ich bitte dich, das braucht dir nicht leid zu tun. Im Gegenteil, danke. Viel schlimmer ist es, wenn die Leute sagen Ich versteh dich . Da geh ich an die Decke. Ich versteh dich … Aber was zum Teufel verstehst du? Einmal hat das sogar … eine Freundin zu mir gesagt, und da hab ich widersprochen und gesagt, dass sie mich nicht versteht, sondern es sich nur einbildet. Denn du hast keine Chance, so was zu verstehen, wenn du es nicht selbst erlebt hast. Und weißt du, was sie gemacht hat? Sie hat eine Mullbinde genommen und sich eine Hand umwickelt und einen ganzen Tag mit nur einer Hand verbracht.«
»Ist ja irre! Aber stark, deine Freundin. Und hat sie es danach besser verstanden?«
»Ein bisschen glaub ich schon. Aber viele Leute haben keinen blassen Schimmer. Einige haben mich sogar gefragt, ob ich so geboren bin.«
»Ach komm, sind die blöd! Gibt es denn Leute, die so auf die Welt kommen?«
»Ich weiß nicht, hab ich noch nie gehört. Das heißt, doch, in einem Horrorfilm. Da war ein Junge, der wurde mit nur einer Hand geboren, wegen eines Fluchs, und …«
»Den kenn ich! Den kenn ich! Der lief neulich im Fernsehen! Da war so eine Art Schloss, und dann war da doch dieser halb verrückte Bauer …«
»Der Film heißt Embryo des Bösen «, sage ich. Ich setze mich kerzengerade auf den Stuhl und schlage den Oberlehrerton an, denn jetzt sind wir bei einem Thema, bei dem ich der ganzen Welt zeigen kann, wo’s langgeht. »Es ist ein englischer Film, produziert von …«
»Amicus!«, nimmt Tiziana mir den Wind aus den Segeln. »Ja, das sah man am Licht, am Drehbuch.«
»Du kennst die Amicus-Filme?« Im wirklichen Leben habe ich nie jemanden getroffen, der sie kennt, abgesehen von mir und Giuliano.
»Ja, aber die sind mir viel zu gothic . Mir gefallen die besser, die in der Gegenwart spielen, vorzugsweise auf dem Land. Horrorfilme, die in der Stadt spielen, sind meiner Meinung nach widersinnig. Da müssen schon Bäume und Nebel und Käuzchen sein, die hu, hu schreien, sonst funktioniert das alles nicht.«
Tiziana redet, und ich kann es gar nicht fassen, ich schwöre, ich habe das Gefühl, mich selbst reden zu hören. Ich bin hundertprozentig ihrer Ansicht, ich nicke zu allem, was sie sagt, heftig und immer heftiger. Ich riskiere, mir einen Wirbel zu brechen, aber das ist mir scheißegal.
»Und der von neulich Abend heißt Embryo des Bösen? «
»Ja«, sage ich. »Mit Peter Cushing. Er ist ziemlich gefloppt, aber mir gefällt er wahnsinnig gut. Vielleicht weil ich mich in der Geschichte des einhändigen Jungen wiedererkenne.« Und ich schwöre, dass ich dabei völlig gedankenlos den rechten Arm unter dem Tisch hervorhole und in der Luft schwenke.
Tiziana schaut hoch, aber nur ganz beiläufig, wie man einen normalen Arm mit einer normalen Hand anschaut. Dann wendet sie sich wieder meinem Gesicht zu, um das Gespräch fortzusetzen.
»Ich versteh dich«, sagt sie. »Es gibt Filme, die sind objektiv betrachtet großartig. Die Nacht der lebenden Toten , Halloween , der erste aus der Nightmare -Serie, Freitag der 13. Und andere, die sind nur für einen selbst von Bedeutung. Ich nenne sie meine persönlichen Klassiker.«
Ich nicke weiter, ich kann gar nicht mehr aufhören. Morgen werde ich Nackenschmerzen haben, aber das macht nichts.
»Dein persönlicher Klassiker ist also Embryo des Bösen «, sagt sie. »Und jetzt rat mal, welcher meiner ist.«
Ich denke nach, aber es ist nicht leicht. Welcher Film passt zu Tiziana? Ein italienischer oder ein amerikanischer? Oder ein englischer? Diese uralten, langweiligen Schinken mit Bela Lugosi oder die aus den goldenen siebziger Jahren? Sie muss mir auf die Sprünge helfen.
»Sag mir wenigstens das Genre. Vampire, Hexen, Zombies, Mumien?«
»Boh, das lässt sich nicht so genau einordnen.«
»Okay, dann ist es also was ganz Spezielles, zum Beispiel ein …«
»Es ist The Devil’s Nightmare . Okay, ich hab’s dir verraten, aber du wärst eh nicht draufgekommen.«
»Das sagst du!«, rufe ich. »Das sagst du!« Aber Tiziana hat recht. Schöne Scheiße, denn ich habe The Devil’s
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