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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Bauer brachte schon früh einen mächtigen Sack Kartoffeln vorbei, frische, mehlige Kleikartoffeln, die noch nach der Erde dufteten, in der sie bis zum Vortag gelegen hatten. Die stabilsten Äste wurden von den großen Kindern zu Stöcken angespitzt, die dann heute Abend mit Erdäpfeln gespickt über das Feuer gehalten werden sollten.
    Im Garten herrschte ein geschäftiges Treiben, die Aufregung der Kinder wehte quasi zu meinem Bürofenster herein. Im Haus war es still. So still, dass ich endlich an mein Versprechen denken konnte, welches ich Ben gestern am Telefon gegeben hatte.
    Mir war klar, dass ich zu diesem Zweck einige ungeschriebene Gesetze in diesem Haus brechen musste, denn wenn es wichtige Versicherungsakten oder ähnlich interessante Unterlagen über Jolanda Pietrowska gab, so wurden diese aller Wahrscheinlichkeit nach im Souterrain gelagert, in einem Raum, zu dem nur Dr.   Schewe und ihre Assistentin die Schlüssel hatten. «Nicht jeder hat freien Zugriff auf das Archiv», sagte Silvia Mühring einmal, als ich sie um wissenswerte Unterlagen für meine Kampagne bat. «Sie werden verstehen, es ist besser, wenn nur ein oder zwei Personen in diesem geordneten Chaos die Übersicht behalten.» Doch ich hatte gesehen, wo sie den Schlüssel verwahrte, er hing in einem grauen Schlüsselkasten direkt neben der Tür zum Chefzimmer. Es war nicht gerade schwer, ihn heute unauffällig in meiner Hosentasche verschwinden zu lassen. Nicht so schwer, wie knapp zehn Schritte über den Hausflur zur Kellertür zu schleichen. Jochen Redenius stand in der Bürotür und musterte mich skeptisch, doch da er dies immer tat, wusste ich, dass kein Grund zur Beunruhigung bestand. Die Köchin kam mir auf den Stufen entgegen, sie trug einen Korb mit Salat und grüßte freundlich, als ich zur Seite wich, um sie durchzulassen. «Soll ich die Tür schließen?», fragte sie von oben herunter. Ich überlegte kurz, mein Vorhaben auf einen anderen Tag zu verschieben, weil sie mich hier gesehen hatte, doch dann rief ich «Ja!», und als der Lichtstrahl vom oberen Flur verschwunden war, steckte ich den Schlüssel rasch in das verbotene Schloss und beeilte mich, im Archiv zu verschwinden.Sobald ich im Zimmer war, schloss ich die Tür hinter mir ab. Ich musste einen Moment innehalten, weil das aufgeregte Klopfen meines Herzens mich zitterig machte. Dann schaute ich mich um.
    Der Raum lag zur Nordseite und durch das Kellerfenster kam nur spärliches Licht, doch ich ließ die Deckenlampe aus, denn direkt vor der milchigen Scheibe konnte ich die Konturen von einem Paar Kinderbeinen in kurzen Hosen ausmachen und ich wollte nicht, dass irgendjemand merkte, dass Licht im Archivraum brannte.
    Mein erster Blick fiel auf eine weitere Tür im hintersten Eck des Raumes, sie war aus blankem Metall. Noch ein Raum, den niemand betreten soll, dachte ich. So viele Geheimnisse in diesem Haus, ich hätte zu gern gewusst, was sich dahinter verbarg, und schlich hinüber, doch die Tür war verschlossen, natürlich, und ich hatte nicht vor, mich am Schloss zu versuchen, schließlich war ich alles andere als eine gewiefte Einbrecherin.
    Also ging ich zu den Regalen, die bis unter die niedrige Decke reichten und bis oben hin mit Ordnern voll gestellt waren. Ich musste ganz dicht an die Buchrücken gehen, um die Aufschriften erkennen zu können. Ich fingerte einen roten Hefter heraus, der unbeschriftet zwischen all den anderen Akten stand. Ich blätterte hastig. Es waren nur Lieferscheine über Büromobiliar, sie waren schon mehr als drei Jahre alt und trugen den Briefkopf des hiesigen Baumarktgiganten «LoodenBau». Das einzig Auffällige daran war, dass unter jedem Schein
«Spendenquittung erbeten»
stand. Ich wusste, das Dirk van Loodens Eltern ziemlich reich waren, doch diese endlosen Listen von gespendeten Einrichtungsgegenständen ließen mich staunen. Das war mehr als großzügig, da es mich aber eigentlich nichts anging, stellte ich die Mappe zurück ins Regal.
    Ein stumpfer Stoß gegen die Fensterscheibe ließ mich zusammenzucken.
    «Ich schlag dir den Stock in die Eier!», hörte ich von draußen eine Kinderstimme, die ich als die von einem der größeren Jungen zu erkennen meinte. Die nackten, gespreizten Beine eines Jungen pressten sich gegen das Fenster und ich konnte den klobigen Schuh von Ingo Palmer ausmachen, dann hörte ich wieder diesen Schlag und erkannte an einem umrissenen Schatten, dass mit einem armdicken Stock genau zwischen die auseinander

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