Fischland Mord - Küsten-Krimi
– außer die Wahrheit ans Licht bringen«,
erwiderte Dietrich. »Und es liegt in Ihrem ureigensten Interesse, uns dabei
behilflich zu sein.«
»Das wäre ich gern, aber leider habe ich Ferdinand Thun
tatsächlich vorher nie gesehen. Bitte halten Sie sich mit Ihren
Anschuldigungen und Andeutungen zurück, immerhin ist gerichtlich festgestellt worden, dass ich nichts mit den Machenschaften meines Exmannes zu tun habe. Da erzähle ich Ihnen sicherlich nichts Neues«,
äffte sie Dietrich nach. Schon als es ihr rausrutschte, wusste sie, dass das
ein Fehler war. Sie sah, wie er gereizt seine Stirn runzelte, doch er kam
nicht dazu, etwas zu erwidern, weil Menning sich einschaltete.
»Bitte, Frau Voß, Sie dürfen uns nicht falsch verstehen, aber wir
müssen jeder Spur nachgehen. Ehrlich gesagt fanden wir es merkwürdig, wie wenig
jeder, den wir nach Ihnen und Ihrer Pension gefragt haben, über Sie zu
berichten wusste – dafür, dass Sie schon ein Jahr hier leben, sogar sehr wenig.«
»Sie haben sich in Wustrow über mich erkundigt?« Kassandra wurde
übel. Dass die Polizei wusste, wer sie war – und auch, dass sie aus ihrer Sicht
verständliche Schlussfolgerungen zog –, konnte Kassandra
verschmerzen. Aber die Wustrower wollte sie nicht gegen sich
haben.
»Das dürfte Ihnen doch klar gewesen sein, nach dem,
was hier passiert ist«, sagte Dietrich.
Kassandra starrte auf die hölzerne Tischplatte. Als sie aufschaute,
bemerkte sie, dass Menning sie beobachtete. Sie richtete ihre folgenden Worte
ausschließlich an ihn. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie über meine
Vergangenheit schweigen würden. Das könnte mich den Hals kosten. Wustrow mag
ein Nest sein, mir gefällt es, ich lebe gern hier und möchte bleiben.«
»Das ist eine Mordermittlung«, betonte Dietrich. »Glauben Sie
wirklich, dass wir da Rücksicht nehmen können auf irgendwelche
Befindlichkeiten? Wir müssen tun, was zur Aufklärung der Tat beiträgt.«
»Aber wir werden nichts erwähnen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist«, versprach Menning. Offensichtlich tat Kassandra ihm
leid. Vielleicht war er selbst in einem kleinen Ort aufgewachsen und konnte
sich ausmalen, was Dorfklatsch anzurichten vermochte und
was jemand auszuhalten hatte, gegen den sich die Mehrheit der
Dorfbewohner verschwor.
»Danke«, sagte Kassandra. »Da Sie von Mordermittlung sprachen:
Wissen Sie mittlerweile, was mit Herrn Thun geschehen ist?«
»Er wurde ertränkt«, bestätigte Menning ihre Vermutung und fing sich
dafür einen bösen Blick von Dietrich ein. Dabei würde das am nächsten Tag
sowieso ganz Mecklenburg-Vorpommern erfahren, sobald die Zeitungen darüber
berichteten.
»Hatte er Boddenwasser in der Lunge?«
»Das ist ja mal eine interessante Frage«, schaltete sich Dietrich
wieder ein. »Wie kommen Sie darauf?«
»Er sah nicht nach Ostsee aus mit dem Schlamm und dem Schilfblatt
– und nach Badewasser erst recht nicht«, sagte Kassandra trocken. Aus den
Augenwinkeln sah sie, wie Menning sich ein Lachen verkniff.
»Es war Boddenwasser, richtig«, sagte er. »Wir gehen davon aus, dass
man Thun dicht am Ufer unter Wasser gedrückt hat, bis er tot war. Es finden
sich Schürfwunden an Händen und im Gesicht, die durch den
Boddengrund entstanden sind, als er versuchte, sich freizukämpfen.«
»Wieso der Bodden?«, fragte Kassandra nachdenklich. »Wenn ich
jemanden ertränken will, suche ich mir was aus, was tiefer ist und größer,
wie die Ostsee. Ich beschwere die Leiche mit Gewichten, dann
taucht sie mit ein bisschen Glück erst in Skandinavien wieder auf oder gar
nicht mehr. Auf jeden Fall mache ich mir nicht die
Mühe, sie zurück ins Bett zu legen. Ich versteh das nicht.«
»Wir auch noch nicht«, gab Menning zu. »Es würde
helfen, wenn wir wüssten, wer Thun war. Hat er
mal Besuch bekommen?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber ich bin nicht immer zu Hause.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Dietrich beinah freundlich. Er erhob
sich. »Aber wir werden jetzt sehr häufig hier sein, verlassen Sie sich darauf.
Und wir sind sehr, sehr gründlich. Auf Wiedersehen, Frau … Voß.«
Noch drei Stunden später hallte diese vieldeutig klingende Betonung
ihres Namens in Kassandras Ohren nach. Sie hatte sich auf ihrer Sofaecke im
Wohnzimmer eingeigelt, auf dem Tisch stand ein Chai Latte, der neueste
Hardenberg-Roman lag neben ihr, war allerdings noch zugeklappt.
Heute konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Menning hatte
sie entschuldigend angesehen, als er
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