Fischland Mord - Küsten-Krimi
effektivsten erledigen
konnte. Niemand wurde gewarnt, wenn er auftauchte, und selbst Leute aus der
Branche wussten nur selten, wie er aussah, wenn sie nicht schon mal mit ihm zu
tun gehabt hatten.«
»Das erklärt, weshalb die Befragung der Polizei bei den hiesigen
Galeriebetreibern erfolglos blieb«, meinte Kassandra. »Weil die das Glück
hatten, Kind noch nicht engagieren zu müssen.«
Paul schlug die Broschüre der Gemäldeauktion etwa in
der Mitte auf und deutete auf ein Bild, das eine Detailansicht
eines Waldes zeigte. Zwei Bäume neigten sich über einem Tümpel einander zu, dahinter waren weitere Bäume zu sehen. Kassandra mochte das Gemälde
auf Anhieb. Die Farben, sattes und zartes Grün und das blasse Blau des Tümpels,
zogen sie an. »›Waldinneres‹, ein Gemälde von Alfred Partikel«, stand unter dem
Bild.
»Das ist doch der Maler, der kurz nach Kriegsende spurlos aus
Ahrenshoop verschwunden ist.«
Paul nickte. »Und damit ist dieses Gemälde das wertvollste der
gesamten Auktion. Partikel ist sowieso schon höherpreisig, hier kommt hinzu, dass es kein sehr typisches Bild von ihm ist, er hat sonst
eher weite Landschaften gemalt.«
Kassandra sah auf den Preis, der mit
sechstausendfünfhundert bis achttausendfünfhundert Euro angegeben
war. »Wenn da Liebhaber mitbieten, könnte das noch mehr werden, oder?«
»Erheblich mehr. Vorausgesetzt, es ist echt. Um das sicherzustellen,
war Kind hier. Ich kenne Ralf Peters von …« Paul unterbrach sich. »Na, ist
egal, woher. Ich kenne ihn gut genug, dass er nach ein bisschen sanftem Druck
zugegeben hat, Kind verpflichtet zu haben, als erste Zweifel an der
Echtheit des Gemäldes auftauchten. Kind war teuer, aber das war
Peters egal. Lieber den Experten bezahlen als mit der Auktion baden gehen.«
»Und? Ist es eine Fälschung?«, fragte Jonas gespannt.
»Keine Ahnung. Kind hat das Gutachten nicht abgeliefert, und Peters
geriet mächtig unter Druck, weil die Auktion schon nächsten Sonntag ist. Er hat
immer wieder versucht, Kind zu erreichen, aber als
das nichts fruchtete, musste er schnellstens einen neuen Gutachter
finden. Auf dessen Expertise wartet er händeringend, vor allem, weil er jetzt
weiß, dass er von Kind nie wieder was hören wird. Als ich ihm das Foto unter
die Nase hielt und ihm erklärte, was der Mordfall bei uns mit seinem Experten
zu tun hat, ist er ganz blass geworden. Anscheinend hatte er bis
zu meinem Besuch weder einen Blick in die Zeitung geworfen noch den Fernseher
eingeschaltet.«
Eine Weile schwiegen sie. Kassandra hatte Mitleid mit dem
Galeristen, und sie fragte sich, wer wohl noch alles durch den Mord an Josef
Kind auf die eine oder andere Art in Bedrängnis geraten war. »Wenn das Bild
eine Fälschung ist, hätten wir zumindest ein Mordmotiv«,
sagte sie dann. »Der Fälscher dürfte kein Interesse daran haben,
dass das publik wird.«
»Im Zweifelsfall wäre aber doch nur rausgekommen, dass
das Gemälde gefälscht ist, nicht notwendigerweise die
Identität des Fälschers«, meinte Jonas.
»Vielleicht doch«, wandte Paul ein, »Josef Kind wurde
nicht umsonst als weltweit anerkannter Experte für Kunstfälschungen
gehandelt. Er muss eine absolute Koryphäe gewesen sein. Wenn er
eine Fälschung als solche entlarvte, konnte er auch sagen, wer
dafür verantwortlich war. Manche Fälschungen sind natürlich schon uralt, die
Urheber längst tot, aber wann immer er die Handschrift eines noch arbeitenden
Fälschers identifizierte, der schon mal irgendwo irgendwann von sich reden
gemacht hatte, bedeutete das für den das endgültige Aus.«
Nachdenklich drehte Kassandra ihr Weinglas auf dem Bild des
Viermasters, das den Tisch zierte, hin und her. »Was machen wir jetzt? Ich will
deinen Freund nicht reinreiten, Paul, und die Auktion in Verruf bringen, weil
eins der Bilder möglicherweise eine Fälschung ist. Aber wenn die Polizei nicht
endlich einen Hinweis findet, beißen die sich womöglich
wirklich an mir fest. Selbst wenn Sven denen sagt, dass er Kind
nie gesehen hat, fürchte ich. Dietrich hat so was an sich, der lässt nicht
locker.«
»Peters ist nicht mein Freund«, stellte Paul klar. »Und ich habe ihm
nicht versprochen, den Mund zu halten.« Dabei griente er Jonas an, bevor er
wieder ernst wurde. »Ehrlich, ich bin bereit, alles Mögliche zu tun, um
Menschen zu unterstützen, die sich was aufbauen. Aber bei Mord hört der Spaß
auf. Sprich mit diesem Menning, Kassandra. Sag ihm, was du weißt.«
6
»Echt, du willst mit mir
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