Fischland Mord - Küsten-Krimi
Ich habe nur …«
»Ach, vergiss es. Wenn du nun schon mal hier bist, kannst du auch reinkommen.« Kassandra trat durch ihre Vorgartenpforte, ohne
sich umzuschauen, ob Paul ihr folgte. Sie öffnete die Tür, legte den Schlüssel auf das Schränkchen daneben und streckte die Hand nach
dem Lichtschalter aus. Dann überlegte sie es sich anders und ließ sich
stattdessen müde gegen die Wand fallen. Sie hörte, dass Paul hinter ihr die Tür
schloss. Auch er schaltete das Licht nicht ein und lehnte sich
ein Stück von ihr entfernt an die gegenüberliegende Wand.
»Was sollte das da eben?«, fragte Kassandra leise.
»Ich war mir nicht sicher, ob deine … Recherchemethoden die
richtigen sind«, sagte Paul ebenso leise.
»Was ist falsch daran? Du hast Jonas geraten, bei Tina Bodenstedt seinen
Charme zu versprühen, dann kann ich das auch bei Arnold. Gleiches Recht für
alle, oder?« Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten, sondern fuhr gleich fort:
»Was willst du denn nun mit mir besprechen?«
»Wen«, korrigierte Paul. Er machte keinerlei Anstalten, noch etwas
zu Kassandras vorheriger Bemerkung zu sagen. »Tina Bodenstedt. Ich habe mich
gestern etwas länger mit ihr unterhalten.«
»Das hat Jonas erwähnt. Komm ins Wohnzimmer, da ist es gemütlicher.«
Kassandra ging voran und knipste die kleine Leselampe an. »Möchtest du was
trinken?«
Paul nickte. »Wasser bitte.«
Als Kassandra mit einer Flasche aus der Küche zurückkam, stand Paul
vor der Anrichte. Er drehte sich zu ihr um und deutete auf ein Buch, das dort
neben dem Bilderrahmen mit dem Foto ihrer Mutter lag. »Du interessierst dich
für Afrika?«
Kassandra lächelte. »Nicht sonderlich. Das gehört Violetta, die
meinte, ich solle es mir wenigstens mal ansehen. Es ist einfacher, sich nicht
gegen ihre Begeisterung zu sträuben.«
Paul erwiderte das Lächeln. »Ja, das stimmt zweifelsohne.« Er setzte
sich zu Kassandra aufs Sofa. »Also, Tina Bodenstedt …«
»Bevor du weiterredest – und weil es so schön zu
Violetta passt«, fiel ihm Kassandra ins Wort. »Ich hab auch was
über die Bodenstedt in Erfahrung gebracht.« Sie berichtete von ihrem Telefonat
mit Mona, wobei sie weiter ausholen musste, weil bisher weder Jonas noch Paul
wussten, dass sie ihre alte Freundin auf die Degenhards
angesetzt hatte. Schließlich erwähnte sie noch, was Arnold von
Tina Bodenstedt hielt. »Entspricht das dem Eindruck, den du von ihr hast?«
Paul, der bisher vorgebeugt dagesessen und ihr zugehört hatte,
lehnte sich zurück und dachte nach. »Teilweise. Sie hat jedenfalls nichts gegen ältere Männer, was eine nützliche Eigenschaft sein kann, falls
es ihre Gewohnheit ist, ihre Fühler nach denen mit Macht
auszustrecken.«
»Diese Eigenschaft kann man sich antrainieren, wenn
man es drauf anlegt. Hat sie mit dir geflirtet?«
»Ja, stell dir vor«, sagte Paul mit leiser Selbstironie.
»Wer hat euch bekannt gemacht?«
»Gerlinde. Ich hatte sie drum gebeten. Warum?«
»Was hat sie über dich gesagt?«
Paul runzelte die Stirn. »Das Übliche – sie hat übertrieben und aus mir den wichtigsten Menschen des Fischlandes gemacht und …«
Er unterbrach sich. »Oh. Ich verstehe. Du meinst, das passt zu dem, was Kesting
sagte – dass Tina Bodenstedt sich für Männer interessiert, die ihr was
einbringen könnten.« Er seufzte schwer. »Und ich dachte schon, ich hätte sie
beeindruckt.«
»Hast du wahrscheinlich. Wir reden hier hypothetisch, unter der Prämisse,
dass Arnold recht hat. Es kann alles ganz anders sein.«
Paul sah Kassandra einen Augenblick lang an. Dann
lachte er plötzlich, und sie fühlte sich an den Abend erinnert,
an dem sie ihn kennengelernt hatte. Das Zimmer schien heller zu werden. »Kassandra!
Ich hab das nicht ernst gemeint! Es ist nett von dir, dass du mich seelisch
aufrichten willst, aber Tina Bodenstedt ist achtundzwanzig. Ich bin
vierundfünfzig.«
»Na und?«
»Na und?«, wiederholte Paul amüsiert. »Kassandra, Liebes, flirtest du jetzt mit mir?«
»Nach deinen verqueren Ansichten habe ich mehr Recht dazu als Tina.
Ich bin sechs Jahre älter als sie.« Du lieber Himmel, was tat sie da? Sie
flirtete tatsächlich mit Paul! Sie musste vollkommen verrückt
sein. Und sofort damit aufhören. »Aber um zum Thema zurückzukommen: Da dein
Eindruck von ihr nur teilweise dem von Arnold entspricht – was stimmt denn
nicht überein?«
Paul nahm einen Schluck Wasser, bevor er antwortete. »Ich fand sie
nicht besonders arrogant. Sie ist durchaus
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