Fischland Mord - Küsten-Krimi
ab. »Er sagte, Bertram hätte diesem Treffen einen Tag
vor einer Spanienreise zugestimmt. Das heißt, der Mann dürfte jetzt schon sonst
wo sein. Wir können ihn nicht mal mehr fragen, ob Arnold bei ihm war.«
Jonas wandte sich wieder zum PC um und
begann zu tippen. »Vielleicht hat dieser Bertram eine Agentur. Er muss doch zu
erreichen sein. Wenn Kesting nicht bald wieder auftaucht, wird früher oder
später die Polizei eingeschaltet, und die wird sich ebenfalls erkundigen, wer
ihn zuletzt gesehen hat.«
»Die Polizei?« Entsetzt sah Kassandra Jonas an.
»Na sicher, das ist so bei Vermissten.«
»Bitte nicht«, flüsterte sie. »Wenn Dietrich und Menning erfahren, dass nun auch noch jemand verschwunden ist, mit dem ich mich
getroffen habe, nachdem gerade zwei Wochen zuvor Kind hier
gefunden wurde …«
Jonas streckte die Hand aus und schien Kassandra berühren zu wollen, ließ sie jedoch wieder sinken. »Warten wir’s erst mal ab. Sieh
nicht gleich alles so schwarz.«
Während Kassandra noch zweifelnd Jonas’ Recherchen über Bertram verfolgte, klingelte es. Paul stürmte an ihr vorbei, kaum dass
sie geöffnet hatte. Er war auf hundertachtzig. »Dieser Idiot!«, schimpfte er.
»Ist der noch zu retten?«
Abrupt blieb er in der Tür zum Wohnzimmer stehen. »Ist Jonas schon
weg?«
»Ich bin hier«, rief der über den Flur. »Was ist denn um Himmels
willen passiert?«
Im Büro ließ sich Paul gegen die Wand fallen und bemühte sich
sichtlich runterzukommen. »Heinz hat die grandiose Idee, aus Larsens
Seefahrtschulprojekt doch noch was zu machen. Er hat alles wieder vorgeholt und
einen Architekten aufgetan, der auf seinen Auftrag hin Larsens Vorhaben
überarbeitet hat. Er hat sogar schon einen möglichen Investor an der Hand, der
heute Abend zusammen mit dem Architekten da war. Wir sind fast vom Glauben
abgefallen. Er hat das in anderthalb lausigen Wochen aus dem Boden gestampft
und heute auf die letzte Sekunde diese bescheuerte Sitzung einberufen.
Verflucht, was denkt er, wer er ist?«
»Polizei haupt meister a. D. Heinz Jung«,
sagte Kassandra trocken, als Paul zum Luftholen innehielt.
Paul hatte die ganze Zeit Jonas angesehen, jetzt starrte er zu
Kassandra hinüber. Dann fing er an zu lachen, und sein Ärger verflog sichtlich. »Wie konnte ich das nur vergessen? Kassandra, du bist
unvergleichlich.«
Sie lächelte. »Da hab ich wahrscheinlich was mit Herrn
Jung gemeinsam. Setz dich und erzähl.«
Paul schälte sich aus seiner schwarzen Lederjacke, die er achtlos
auf den Boden fallen ließ, und nahm auf dem Sofa Platz. Offenbar war Heinz Jung den Plan, den Sven damals der Gemeindevertretung
vorgelegt hatte, mit einem jungen, ambitionierten Architekten durchgegangen,
der zuerst mal alle Ideen aussortiert hatte, die, wie er sich ausgedrückt
hatte, größenwahnsinnig gewesen waren. Übrig geblieben war ein beträchtlich
kleineres Projekt, das sich laut Architekt und eines Unternehmens, das auf
exklusive Luxushotels spezialisiert war, durchaus finanzieren ließe –
wenn sich zwei weitere Investoren in der Größenordnung des
bereits gefundenen auftun ließen.
»Das klingt doch gar nicht schlecht«, meinte Jonas vorsichtig.
»Nicht schlecht?« Paul stützte die Ellbogen auf seine Knie und legte den Kopf in die Hände. Als er hochsah, schimmerte erneut Wut in seinem
Blick. »Hast du mal gezählt, wie viele angebliche Unternehmer und
Investoren seit Mitte der Neunziger hochfliegende Pläne mit der Seefahrtschule
hatten?«
»Heißt das, Sven war nicht der Erste?«, fragte Kassandra.
Paul lachte auf, verbittert diesmal. »Dein Ex war
weder der Erste noch der Letzte. Allerdings der weitaus
Schlimmste mit seinen durchdachten Plänen und glanzvollen
Versprechungen, die scheinbar sogar finanzierbar waren. Bis die
größten Investoren auf einen Schlag absprangen, hatten alle hier
ihre Hoffnungen in ihn gesetzt. Deswegen wurde mit dem Scheitern
des Projekts aus Sven Larsen der meistgehasste Mann auf dem Fischland.« Er
schüttelte den Kopf. »Kassandra, die Seefahrtschule war nicht
irgendeine Schule, sie war ein Stück Identität für die Wustrower,
sie hat ihr Leben mitbestimmt, nicht nur durch die vielen Studenten. Sie war
auch ein Treffpunkt für das ganze Dorf, die Feste, die es gegeben hat, sind
legendär.« Er hielt kurz inne. »Du kannst hundertfünfzig
Jahre Tradition nicht einfach wegwischen, nur weil jemand von oben bestimmt, den Hochschulbetrieb einzustellen.« Er wandte
sich wieder an Jonas. »Du
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