Fischland Mord - Küsten-Krimi
ermordet«, sagte sie langsam und
deutlich. »Wollen Sie wissen, warum?«
Diese unerwartete Schuldzuweisung musste Kassandra erst mal
verdauen. »Das würde ich allerdings gern.«
Tina sammelte sich und zerdrückte das Taschentuch, bevor sie mit
ihrer Geschichte begann. Dass sie Josef Kinds Tochter war, hatte sie
erfahren, als sie volljährig wurde. Nicht von ihrer Mutter, sondern
von Kind selbst, und Tina war sofort fasziniert gewesen. Immerhin war sein Name
in der Kunstwelt, für die sie sich schon damals begeisterte, ein Begriff, und
seine Persönlichkeit tat ein Übriges. Kind seinerseits war stolz auf seine
Tochter und später auch auf ihre Erfolge. Er verbrachte viel Zeit mit ihr,
legte allerdings keinen Wert darauf, sie in seinen Bekanntenkreis
einzuführen, und wollte nicht, dass sie jemandem von ihrer
Verbindung erzählte. Josef Kind liebte die Geheimnisse um seine Person und
seine Arbeit. Dann begegnete Tina Arnold Kesting und verliebte sich so sehr,
dass sie zum ersten Mal mit der Regel brach und ihm anvertraute, wer ihr Vater
war. Josef Kind erfuhr davon nichts, nicht mal von dem neuen Mann in ihrem
Leben. Tina wusste, wie besitzergreifend Kind war, sie hatte es einmal mit
einem anderen Mann erlebt. Folglich waren sie und Arnold extrem diskret. Als er
es nach fast zwei Jahren doch mitbekam, machten Tina und Arnold ihre beiden
Werke öffentlich, aus denen ihre Beziehung für jene deutlich wurde, die sie gut
kannten. Kind seinerseits machte keinen Hehl daraus, dass er Arnold nicht
ausstehen konnte, aber diesmal ließ sich Tina nicht beeinflussen. Eines Tages
bat ihr Vater sie um ein außerplanmäßiges Treffen. Er steckte in
Schwierigkeiten. Tina fragte, ob sie etwas für ihn tun könne, und zögernd
rückte er damit heraus: Sie sollte ein Verhältnis mit Raimund Degenhard
anfangen, um ihn erpressbar zu machen. Kind weigerte sich hartnäckig, den Grund
zu nennen. Er sagte nur, es handele sich um eine sehr persönliche
Angelegenheit, und versprach, dass er so etwas nie wieder verlangen würde.
Widerstrebend willigte Tina ein, beging aber den Fehler, Arnold zu informieren,
der ausrastete.
»Er drohte, meinen Vater hochgehen zu lassen, er war wahnsinnig
wütend, es schien ihm egal zu sein, dass Josef Kind nicht irgendwer war,
sondern mir viel bedeutete. Als ich ihn darauf hinwies, wurde er ganz still.
Dann sagte er, ich sei offenbar blind dafür, was für ein Mensch mein Vater sei
– ein egoistisches Schwein, ein Mann, der sogar seine Tochter
gnadenlos ausnutzt. Er sagte, er würde meinen Vater umbringen,
wenn er mich nicht in Ruhe ließe. In dem Moment hab ich ihm jedes Wort geglaubt
– und nachgegeben.« Tina machte eine kurze Pause und stöhnte gequält
auf. »Wäre ich bloß dabei geblieben. Aber ich dachte allen
Ernstes, ich könnte meinem Vater helfen und Arnold belügen. Das hat nicht
funktioniert, weil Raimunds Frau uns erwischte. Immerhin hatte es lange genug
gedauert, dass Raimund gezwungen gewesen war, zumindest zum
Teil das zu tun, was mein Vater von ihm gewollt hatte. Und bevor
Sie fragen, ich weiß nicht, was es war.«
Sicher falsche Expertisen erstellen, was er später noch mal tun
musste, weil er was mit Violetta anfing. Was für ein Glück für Josef Kind,
dachte Kassandra, während Tina weitererzählte.
»Mein Vater war etwas ungehalten, aber er verstand, dass ich nichts dafür konnte. Außerdem hatte ich sowieso gerade andere Sorgen,
nämlich Arnold. Nachdem die Affäre aufgeflogen war, hatte ich erwartet, dass er
wieder ausflippt, aber das Gegenteil war der Fall.
An jenem Abend hat er einfach seine paar Sachen gepackt, die er
in meiner Wohnung deponiert hatte, und ist gegangen. Er hat kein Wort gesagt.
Ich hab ihn erst in der Kunstscheune wiedergesehen.«
Im Verlauf der Erzählung hätte Kassandra Tina am
liebsten mehrmals geschüttelt. Wie hatte sie ihrem Vater so hörig
sein können? »Was ist dann geschehen?«, fragte sie nun.
Tina seufzte. »Diese Doppelausstellung von Arnold und mir ist vor
längerer Zeit geplant worden. In der Zwischenzeit hatte sich einiges
geändert, aber wäre die Ausstellung abgesagt worden, hätten wir
eine Menge erklären müssen. Wir taten das einzig Vernünftige: weitermachen, als
wäre nichts geschehen. Meine und Arnolds Agenturen haben sich mit Gerlinde
Meerbusch um die Auswahl der Werke und den Aufbau gekümmert.
Ich kam erst einen Tag vor der Eröffnung nach Wustrow, um mir das
Ergebnis anzusehen und noch letzte Änderungen vorzunehmen. In den
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