Fischland Mord - Küsten-Krimi
Tagen davor
hatte ich Urlaub in Italien gemacht und von all dem, was in Deutschland
passierte, nichts mitbekommen. Als ich hier ankam, war fast das Erste,
was ich sah, eine Zeitung mit dem Artikel über Josef Kind, dessen
Leiche endlich identifiziert worden war. Das war der Schock
meines Lebens. Ich hatte Arnolds Worte noch sehr deutlich im Ohr – aber bis zu
dem Zeitpunkt nicht mehr dran geglaubt, dass er seine Drohung
wahr machen könnte. Wie gehörig man sich doch täuschen kann.«
Tina starrte auf die geblümte Tischdecke. »Dann stand er am
Eröffnungsabend plötzlich da, zwischen uns nur Gerlinde Meerbusch. Ich weiß
nicht, wie ich diesen Abend überstanden habe.« Sie stöhnte leise auf. »Ich weiß
es wirklich nicht. Am liebsten wäre ich so weit von ihm
weggerannt wie möglich. Trotzdem war es wie ein Zwang für mich, jede seiner
Bewegungen zu verfolgen, auch, wie er mit Ihnen gesprochen und
geflirtet hat. Weniger gut klar kam er mit den beiden Männern in Ihrer
Begleitung. Er verträgt keine Konkurrenz.«
»Wegen Arnolds Drohung denken Sie also, dass er Ihren Vater
umgebracht hat«, stellte Kassandra fest. »Das ist nicht gerade hieb- und stichfest. Hitzige Drohungen stoßen viele aus im Eifer des Gefechts,
ohne dass sie ihren Worten je Taten folgen lassen.«
»Mag sein, aber ich habe Arnold, wie gesagt, an jenem Abend genau
beobachtet. Während sich der ältere Ihrer beiden Begleiter mit mir unterhielt –
sein Name war Paul Freese, wenn ich mich recht erinnere –, war Arnold mit Ihnen
draußen. Später kam er allein zurück und machte eine weitere Runde, ich tat
dasselbe, wobei ich ihn immer im Blick behielt. Sein Handy
klingelte, er schaute auf das Display und reagierte … ich weiß
nicht, verärgert oder erschrocken. Er ging hinaus, ich folgte ihm. Den Anfang
des Gesprächs habe ich nicht gehört, und natürlich bekam ich nicht mit, was
sein Gesprächspartner sagte oder wer es war. Aber es ging eindeutig um meinen
Vater. Arnold sagte, er habe die Frau getroffen, in deren
Pension er gefunden worden war, und meinte, er wolle sich was
einfallen lassen, weil er das Gefühl habe, sie würde rumschnüffeln. Das waren
Sie, oder?«
Kassandra nickte.
»Jedenfalls«, nahm Tina den Faden wieder auf, »hörte
Arnold seinem Gesprächspartner längere Zeit zu und sagte am
Schluss, er würde sich melden, und der andere solle ihn bloß nicht wieder
anrufen. Als er das Handy wegsteckte, wirkte er sehr nervös.« Tina rückte die
Tischdecke gerade, obwohl sie gar nicht schief lag, und sah hoch, direkt in
Kassandras Augen. »Hätte ich in diesem Moment eine Waffe gehabt, ich hätte sie
wahrscheinlich benutzt. Verstehen Sie, ich hatte gerade mitbekommen, dass
Arnold mit dem Tod meines Vaters zumindest etwas zu tun hatte. Ich habe
überlegt, zur Polizei zu gehen, obwohl ich natürlich nichts beweisen konnte.
Was mich davon abgehalten hat, war, dass Arnold denen wahrscheinlich von der
Erpressergeschichte erzählt hätte. Damit hätte ich in der
Klemme gesteckt, aber vor allem wäre der gute Ruf meines Vaters ruiniert gewesen. Andererseits musste ich wissen, was Arnold
getan hatte und wer der zweite Mann war.«
»Was wollten Sie tun?«
Tina senkte den Blick. »Ich habe lange gebraucht, mir meinen Plan
zurechtzulegen, und noch länger, bis ich genug Mut gefasst hatte, ihn
auszuführen. Es kostete mich eine Menge Überwindung, auf Arnold
zuzugehen. Ich hatte ihn mal mehr geliebt als sonst jemanden.«
»Abgesehen von Ihrem Vater«, konnte Kassandra sich nicht
zurückhalten zu sagen.
»Das ist wohl wahr«, gab Tina zu. »Ich wusste nicht, wie Arnold
jetzt zu mir stand. Wäre er überhaupt bereit, sich mit mir zu treffen?
Erstaunlicherweise schien er nur auf mich gewartet zu haben. Als ich vorschlug,
über alles zu reden und uns auszusöhnen, hat er mich
angesehen, als würde ich ihm die Welt auf einem Silbertablett
servieren.« Sie lächelte wehmütig. »Bis heute bin ich mir nicht sicher, wie ehrlich er war. Vielleicht ahnte er, dass ich etwas ahnte, und
spielte mir was vor. Aber ich hatte keine Wahl, ich wollte die Wahrheit.
Letzten Samstag fuhren wir zusammen nach Warnemünde und bummelten die Promenade
und den Strand entlang, fast wie früher. In einem Café hab ich ihm von der
alten Seefahrtschule erzählt, von der ich in der Kunstscheune gehört hatte, und
ein kleines Abenteuer vorgeschlagen. Er fand das verrückt, wollte mir aber gern
den Gefallen tun, also sind wir in der Ruine rumgeklettert. Ich hatte
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