Fischland Mord - Küsten-Krimi
wir dachten.
Außerdem bin ich es jetzt, der eine Scheißangst hat. Um dich. Vergiss das Handy
– wir informieren Dietrich, der soll das übernehmen. Für uns ist die Sache zu
Ende.«
Kassandra hatte vermutet, dass Paul besorgt um sie sein würde, aber
nicht mit einer so heftigen Reaktion gerechnet. Sie holte tief Luft. »Willst du jetzt etwa aufgeben? Manchmal muss man ein Risiko eingehen für die Dinge, hinter denen man steht.« Bewusst wandelte
sie Pauls eigene Worte nur unwesentlich ab.
Sie sah, dass er blass wurde und kurz die Augen schloss. Mit einem
Ruck öffnete er die Tür und stieg aus. Draußen lehnte er sich gegen den Wagen
und stand zwei Minuten lang bewegungslos da, bis Kassandra ebenfalls das Auto
verließ und zu ihm trat. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt
und starrte vor sich hin. Sie stellte sich neben ihn und starrte
ebenfalls auf die Straße.
»Was meinst du, wer Arnold angerufen hat?«, fragte sie. »Mein Tipp
wäre Menning. Der hat vielleicht nicht nur aus rein beruflicher Neugier nach
Arnold gesucht. Immerhin war vermutlich er es, der hinter ihm aufgeräumt
beziehungsweise alles so hinterlassen hat, dass es zu seiner Schilderung passte.
Warum wollte er partout den Keller nicht untersuchen lassen? Es hätte was mit
Tina zu tun haben können – aber wissen die beiden überhaupt voneinander? Es
ahnt ja kein Mensch, dass Josef Kind ihr Vater war, sie wurde nie von der Polizei befragt. Menning und Kind können sich in der Galerie
getroffen haben wie an jedem anderen beliebigen Treffpunkt, ohne
dass Kind je erwähnt hat, wer Tina ist, oder sie Menning über den Weg lief.
Wenn wir nach Freddys Fotos gehen, war er nie im Ausstellungsraum. Laut Tina
hat ihr Vater sie nie in seinen Bekanntenkreis eingeführt, warum hätte er hier
eine Ausnahme machen sollen? Das heißt: Es ging Menning nicht um Tina, es ging
ihm um Arnold. Vielleicht hat er sogar befürchtet, dass Arnold versehentlich
was im Keller hinterlassen hat, was auf Mennings Verwicklung in die
Angelegenheit hinweist. Vielleicht …«
»Kassandra.« Paul hatte sich ihr zugewandt. »Das ist
ein ziemlich mieser Trick, weißt du?«
»Was?«, fragte sie unschuldig. Erleichtert
registrierte sie, dass Pauls Lippen ein kleines Lächeln
umspielte. »Du willst doch nicht im Ernst das Handtuch schmeißen.
Arnold weiß nicht, was wir wissen, er glaubt, ich vertraue ihm.
Wenn es dich beruhigt, kannst du ja Heinz Jung in seiner Eigenschaft als
Polizeihauptmeister beauftragen, auf mich aufzupassen.«
»Das ist nicht witzig«, stellte Paul fest, aber er gab nach.
»Versprich mir, dass du beim kleinsten, unwichtigsten Vorkommnis sofort Jonas
holst oder mich anrufst oder meinetwegen auch Heinz alarmierst.« Leise, wie an
sich selbst gerichtet, fügte er hinzu: »Ich fühle mich verantwortlich für
dich.«
»Warum das denn? Ich bin für mich selbst verantwortlich.«
Wie vorhin schloss Paul kurz die Augen. Sie dachte
schon, er würde nicht antworten, da tat er es doch. »Weil ich
dich überredet habe weiterzumachen.«
»Wenn ich es nicht gewollt hätte, hätte ich es nicht
getan. Lass uns zurückfahren, sonst schaffst du’s nicht mehr
pünktlich zur Begehung.«
Auf dem Parkplatz der Seefahrtschule wollte Paul gerade aussteigen,
da fiel Kassandra eine Bemerkung von Tina wieder ein.
»Was ist los?«, fragte Paul, der ihr etwas angesehen haben musste.
»Tina sagte, Arnold hätte kein Alibi für die Mordnacht gehabt. Ist
doch seltsam, dass er eins hatte, als Dietrich danach fragte. Ich will ihn
sowieso anrufen, um ihn über die veränderte Lage zu informieren.« Sie griff
nach ihrem Handy und verzog kurz das Gesicht. »Tina gegenüber habe ich zwar
gesagt, ich würde nicht mit der Polizei reden, aber da Dietrichs Ermittlungen
im Moment ja eher inoffiziell sind, habe ich nicht komplett
gelogen. Und ich schätze, das mit dem Alibi interessiert ihn
sehr.«
Doch Dietrich war nicht zu erreichen. Kassandra
hinterließ keine Nachricht auf der Mailbox, sie
wollte lieber später persönlich mit ihm sprechen.
Zu Hause fand Kassandra Arnold ausgerechnet mit dem
Fischland-Roman von Alexander Hardenberg in der Hand vor.
»Wie gefällt’s dir?«, fragte sie möglichst harmlos.
Arnold nickte anerkennend. »Ich lese ja nicht viel Belletristik,
aber weil du so angetan warst, wurde ich neugierig. Du hast recht, der Mann
schreibt fesselnd.«
»Freut mich, dass du meine Meinung teilst.« Sie musste sich abwenden, um sich nichts anmerken zu lassen. Dabei
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