Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
schwindelerregende Mischung aus Hass und Verzweiflung schoss durch meine Adern. Dann ergriff kalte Entschlossenheit von mir Besitz. Ich war so gut wie tot, aber das schien plötzlich nicht mehr wichtig zu sein. Viel wichtiger war es, Veritas zu warnen. Und Rache für Burrich zu nehmen. Ich hatte aber keinen Plan, keine Waffen und keine weiteren Möglichkeiten. Dann versuche, Zeit zu gewinnen, hätte Chades Rat an mich gelautet. Es ist ein Spiel auf Zeit, und je mehr Zeit du gewinnst, umso mehr nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass sich eine Chance bietet. Halte
ihn hin. Vielleicht kommt jemand, um nachzusehen, weshalb der Prinz nicht erschienen ist, um sich für die Hochzeit umzukleiden. Vielleicht will sich noch jemand vor der Zeremonie im Dampfbad entspannen. Verwickle ihn in ein Gespräch.
»Die Prinzessin …«, begann ich.
»Ist kein Problem«, setzte Edel meine Worte fort. »Die Prinzessin hat nur dir vergeben, nicht Burrich. Was ich mit ihm getan habe, war mein gutes Recht. Er ist ein Verräter. Er musste dafür bezahlen. Und niemand wäre besser dafür geeignet gewesen als der Mann, der sich seiner angenommen hat, denn er war ein besonders getreuer Gefolgsmann seines Prinzen Rurisk. Er hat keine Einwände gegen das, was hier geschieht.«
Der Chyurda verließ das Dampfbad, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Meine Hände suchten auf dem glitschigen Fliesenboden nach Griff, fanden aber nirgendwo Halt. Währenddessen trocknete Edel sich gemächlich ab. Sobald der Chyurda fort war, kam er auf mich zu. »Willst du nicht um Hilfe rufen?«, fragte er interessiert.
Ich holte tief Atem, würgte meine Angst hinunter und erwiderte Edels Blick mit so viel Verachtung, wie ich es aufzubringen vermochte. »Wen sollte ich rufen? Wer würde mich hören über dem Wasserrauschen?«
»Dann sparst du also deine Kräfte. Gut überlegt. Zwecklos, aber gut überlegt.«
»Glaubst du, Kettricken wird nicht erfahren, was geschehen ist?«
»Sie wird erfahren, dass du ins Dampfbad gegangen bist, was in deinem Zustand höchst leichtsinnig ist. Dann bist du ausgerutscht und in dem heißen, heißen Wasser ertrunken. Ein bedauerlicher Unfall.«
»Edel, das ist Wahnsinn. Was glaubst du, wie viele Leichen du an deinem Weg zurücklassen kannst? Wie willst du Burrichs Tod erklären?«
»Zu deiner ersten Frage: ziemlich viele, solange es sich nicht um jemanden von wirklicher Bedeutung handelt.« Er beugte sich zu mir hinunter, packte mein Hemd und zerrte mich hinter sich her, während ich kraftlos und wie ein Fisch auf dem Trockenen um mich schlug. »Und für deine zweite Frage gilt die gleiche Antwort. Wie viel Aufhebens wird man wohl um einen toten Stallmeister machen? Du bist so besessen von deiner plebejischen Selbstüberschätzung, dass du auch das Gesinde damit ansteckst.« Er beförderte mich mit einem Ruck dorthin, wo Burrich lag. Ich fiel halb über ihn. Sein Körper war noch warm. Unter seiner Wange breitete sich auf dem Fliesenboden eine Blutlache aus. Blut tropfte aus seiner Nase, und ich sah, wie sich zwischen seinen Lippen eine Blutblase bildete und zerplatzte. Er atmete noch.
Unauffällig veränderte ich meine Haltung, damit Edel es nicht sah. Wenn ich überlebte, gab es vielleicht auch für Burrich eine Chance.
Edel bemerkte nichts. Er zog mir die Stiefel von den Füßen und stellte sie beiseite. »Du musst wissen, Bastard«, dozierte er, als er sich kurz aufrichtete, um zu verschnaufen, »Skrupellosigkeit erzeugt ihre eigenen Gesetze. Das hat meine Mutter mich gelehrt. Die Menschen fürchten dich, wenn du ohne Rücksicht auf die Konsequenzen handelst. Tu so, als wärst du unangreifbar, und niemand wird wagen, dir etwas anzuhaben. Betrachten wir diese Situation. Dein Tod wird einige Leute verärgern, schön und gut. Aber so sehr, dass sie Schritte unternehmen, die den Frieden aller Sechs Provinzen gefährden? Ich denke nicht.
Außerdem wird dein Tod über anderen Ereignissen bald in Vergessenheit geraten. Ich wäre geradezu töricht, diese Gelegenheit nicht zu ergreifen und dich mir vom Halse zu schaffen.« Er schien sich seiner selbst völlig sicher zu sein. Ich wehrte mich, doch er war überraschend stark für das bequeme Leben, das er führte. Wie ein nasses Kätzchen schüttelte er mich aus meinem Hemd. Er faltete die einzelnen Kleidungsstücke sorgfältig zusammen und stapelte sie ordentlich aufeinander.
»Ein Alibi, um den Schein zu wahren, das genügt schon. Wenn ich mir zu viel Mühe gebe, schuldlos zu
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