Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
eine Handvoll Teig nach der anderen zu Brötchen formten und zum Aufgehen des Teiges in eine Reihe legten. Ihre Arme waren bis zu den Ellenbogen mit Mehl bestäubt, auch die Wange hatte etwas abbekommen. Das Getöse und Getriebe in dem großen Raum schuf seltsamerweise einen besonderen Raum der Zurückgezogenheit. Sarah sprach leise, und ich musste mich anstrengen,
um sie durch das Klappern und Stimmengewirr verstehen zu können.
»Ich wollte dir nur sagen« - sie faltete und walkte einen neuen Batzen Teig -, »dass ich weiß, wann je mand dummes Zeug redet. Und ich sage es demjenigen auch, wenn er hier in meiner Küche damit anfangen will. Im Wäschehof können sie meinetwegen tratschen, so viel sie wollen, und in der Spinnstube können sie meinetwegn genauso viele Märchen zusammenfabulieren, aber ich dulde nicht, dass man hier in meiner Küche schlecht über dich redet.« Sie schaute mich mit ihren wachen schwarzen Augen an, und mit der Ahnung der Bedeutung ihrer Worte schwankte mir der Boden unter meinen Füßen. Es wurde geredet? Über Molly und mich?
»Du hast an mei nem Tisch gegessen und, als du noch klein warst, oft ge nug neben mir gestanden und in ei nem Topf ge rührt, während wir uns etwas erzählt haben. Ich denke, ich kenne dich womöglich besser als die meisten. Und wenn sie sagen, du kämpfst wie ein Raubtier, weil du mehr Tier als Mensch seist, dann ist das bösartiges Geschwätz. Die Leichen waren übel zugerichtet, das ist wahr, aber ich habe weitaus Schlimmeres gesehen, wenn Menschen im Zorn aneinandergeraten sind. Als Sal Flatfishs Tochter vergewaltigt wurde, hat sie den Unhold mit ihren eigenen Händen und mit ihrem Fischmesser in Stücke geschnitten, mitten auf dem Marktplatz, schnippschnapp, wie sonst Köder für ihre Angelschnur. Was du getan hast, war nichts anderes.«
Mein Herz setzte für einen Schlag aus. ›Mehr Tier als Mensch‹ … Es war noch nicht so lange her oder so weit entfernt, dass Menschen, die man verdächtigte, über die Macht zu gebieten, lebendigen Leibes verbrannt wurden. »Ich danke dir«, sagte ich mit angestrengt ruhiger Stimme und war nicht allzuweit von der Wahrheit entfernt, als ich hinzufügte: »Es war nicht alles mein Werk. Sie stritten um ihre - Beute, als ich dazukam.«
»Ginnas Tochter. Du musst nicht versuchen, mich zu schonen, Fitz. Ich habe selbst Kinder, die mittlerweils sogar erwachsen sind, aber wenn ihnen jemand etwas antun wollte, nun, dann würde ich mir wünschen, dass einer wie du zur Stelle wäre, um sie zu beschützen. Oder um sie zu rächen, wenn es für alles andere zu spät wäre.«
»Ich fürchte, das was es erst mal«, begann ich mich von der Köchin zu verabschieden, wobei mein plötzlich auftretendes Frösteln nicht gespielt war. Vor meinem inneren Auge sah ich wieder das Blut auf der kleinen, pummeligen Faust des gemeuchelten Kindes. Ich schloss mehrmals fest die Augen, aber das Bild wollte einfach nicht verschwinden. »Jetzt muss ich mich sputen, Sarah. Ich will heute dem König aufwarten.«
»Wirklich? Nun, das trifft sich gut. Dann kann ich dir das hier mitgeben.« Sie holte einen Teller mit kleinen Quark- und Johannisbeertörtchen, stellte ihn auf ein Tab lett und da neben eine Kanne heißen Tee und eine Tasse. »Sieh zu, dass er sie we nigstens probiert, Fitz.« Sie ordnete die Törtchen noch einmal liebevoll an. »Ich weiß, wenn er erst einmal gekostet hat, wird er sie alle aufessen. Es sind seine Lieblingskuchen.«
Meine auch.
Ich rang vor Schreck nach Atem. Die Köchin sah mich mit einem eigenartig fragenden Blick an, und ich hustete, als hätte ich mich verschluckt, doch anscheinend wirkte es nicht sehr überzeugend. Ich hustete nochmals und nickte ihr zu. »Ich bin si cher, er wird davor nicht widerstehen können«, sagte ich mit heiserer Stimme, nahm das Tab lett und ging damit zur Tür, wäh rend mir nicht wenige Augenpaare folgten. Ich lächelte freundlich und tat so, als wüsste ich nicht, weshalb.
Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr noch bei mir seid, bemerkte ich zu Veritas. Insgeheim überprüfte ich derweil alles, was sich seit dem Verlassen des Turmgemachs in meinem Kopf abgespielt hatte, und
dankte Eda, dass ich nicht mei ner ursprünglichen Absicht gefolgt und erst zu Nachtauge gegangen war. Aber auch diesen Gedanken verbot ich mir, kaum dass er Gestalt angenommen hatte, weil ich nicht wusste, inwieweit er mir noch allein gehörte.
Ich weiß. Es war nicht meine Absicht, dich heimlich zu belauschen. Ich
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