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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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habe gelobt, meinem König zur Seite zu stehen. So wie Chade es gelobt hat... und du.« Er durchbohrte mich förmlich mit seinen Augen, und auch Chades Blick fühlte ich auf mir ruhen.
    Lauf wieder weg.
    Ich kann nicht.
    Burrich zuckte zusammen, als hätte ich ihn mit einer Nadel gestochen. Ginge ich einen Schritt zur Tür hin, würde er sich dann auf mich stürzen, um mich festzuhalten? Ihm war aber nichts anzusehen, er saß still und wartete schweigend ab.
    »Nicht ich. Der Fitz, der Vasall des Königs war, ist tot«, antwortete ich schroff.
    Burrichs Miene wurde zu Stein, aber Chade fragte ruhig: »Warum trägt er dann noch König Listenreichs Nadel?«
    Ich griff an den Kragen und zog sie heraus. »Hier«, hatte ich vorgehabt zu sagen, »nimm sie und alles, was dazugehört. Ich bin fertig damit. Ich habe nicht mehr die Kraft, um den Kampf wieder aufzunehmen.« Doch ich hielt sie nur stumm in der Hand und starrte sie an.
    »Noch einen Becher Wein?«, fragte Chade, ohne sich mir zuzuwenden.
    »Es ist kalt heute Abend. Ich gieße Tee auf«, entgegnete Burrich.
    Chade nickte. Doch selbst als ich mich hinsetzte, sah ich vor meinem inneren Auge immer noch meinen König und einen kleinen Jungen, dem er die Nadel an das fadenscheinige Hemd steckte. »Nun wohl«, hatte er gesagt, »jetzt gehörst du mir.« Doch Listenreich war tot. Befreite mich das von meinem Treueschwur? Und was war mit den letzten Worten, die er zu mir gesprochen hatte? »Was habe ich aus dir gemacht?« Ich schob diese Frage erneut beiseite. Viel wichtiger, was war ich heute, nach Tod und Auferstehung? Was hatte Edel aus mir gemacht? Und hatte ich die Macht, das zu ändern?
    »Edel hat einmal zu mir gesagt«, überlegte ich laut. »Dass ich mich nur zu kratzen brauchte und unter der Tünche käme Namenlos, der Stallbursche, zum Vorschein.« Ich hob den Kopf und zwang mich, Burrichs Blick zu begegnen. »Vielleicht lebt es sich gar nicht so übel in seiner Haut.«
    »Glaubst du?«, fragte Burrich. »Es gab eine Zeit, da hast du nicht so gedacht. Wer bist du, Fitz, wenn nicht der Vasall des Königs? Was bist du? Wohin würdest du gehen?«
    Wohin würde ich gehen, wäre ich frei? Zu Molly, schrie mein Herz. Ich schüttelte den Kopf und verdrängte den Gedanken, bevor er mir wehtun konnte. Nein. Schon bevor ich mein Leben verlor, hatte ich sie verloren. Ich bedachte mein Leben in sinnloser, bitterer Freiheit. Es gab genaugenommen nur einen Ort, wohin ich gehen konnte. Ich bemühte mich, Burrichs zwingendem Blick standzuhalten. »Weg. Irgendwohin. Nach Chalced, nach Bingtown. Ich kann gut mit Tieren umgehen, ich bin auch ein recht guter Schreiber. Ich würde überleben.«
    »Mag sein. Aber überleben ist nicht dasselbe wie leben.«
    »So, und was braucht es dazu?«, brauste ich auf. Weshalb mussten sie es mir so schwermachen? Worte und Gedanken brachen aus mir heraus wie Eiter aus einer schwärenden Wunde. »Du willst, dass ich mein Leben einem König weihe und auf alles andere verzichte, wie du es getan hast. Ich soll die Frau aufgeben, die ich liebe, um in hündischer Ergebenheit einem König zu folgen, wie du es getan hast. Und als dieser König dich im Stich ließ? Du hast es geschluckt, du hast seinen Bastard großgezogen. Dann hat man dir alles weggenommen, Ställe, Pferde, Hunde, Befehlsgewalt. Nichts haben sie dir gelassen, nicht einmal ein Dach über dem Kopf, diese Könige, denen du dein Leben zu Füßen gelegt hast. Und du? Weil dir nichts anderes geblieben war, hast du dich an mich gehängt, hast den Bastard aus dem Sarg gezerrt und ihn gezwungen, ins Leben zurückzukehren. In ein Leben, das ich hasse, ein Leben, das ich nicht will!« Ich starrte Burrich vorwurfsvoll an.
    Burrichs Gesicht war totenbleich und vor lauter Bestürzung fehlten ihm die Worte. Ich wollte aufhören, aber etwas trieb mich weiter. Der Zorn fühlte sich gut an, wie ein reinigendes Feuer. Mit geballten Fäusten schleuderte ihm meine Vorwürfe entgegen. »Weshalb bist du immer da? Weshalb stellst du mich immer wieder auf die Füße, damit sie mich niederschlagen können? Wozu? Damit ich mich in deiner Schuld fühle? Damit ich dir ein Recht auf mein Leben einräume, weil du es nicht fertiggebracht hast, dir ein eigenes aufzubauen? Du willst doch nichts anderes, als mich zu deinem Ebenbild machen, zu einem Mann ohne eigenes Leben, einem Mann, der sich seinem König bedingungslos ausgeliefert hat. Begreifst du nicht, dass Leben mehr bedeutet, als der Schatten eines anderen

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