Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
hinzu. Er reckte wieder den Kopf aus der Tür. Trotz der Entfernung hörte ich, wie irgendein Haus mit einem lauten Zischen in der Feuersbrunst unterging. Der Brandgeruch war jetzt deutlich wahrzunehmen. Ich sah, wie der Junge die Fäuste zusammenballte. Ein Mann lief an der offenen Tür vorbei. Er rief etwas von Kämpfen auf dem Marktplatz. Andere folgten ihm, und ich hörte das Klirren von Schwertern und leichter Rüstung. Der Wind trug Asche heran, und das Wüten der Flammen war nun nicht mehr zu überhören. Rauch trieb in grauen Schwaden vorüber.
Auf einmal wichen der Junge und der Wärter wie in plötzlichem Schreck von der Tür zurück. Nachtauge ging auf sie zu und fletschte bedrohlich die Zähne. Sein Knurren war lauter als das Prasseln der Flammen draußen.
»Schließt meine Zelle auf, und er wird euch nichts tun«, sagte ich.
Stattdessen zog der Junge sein Schwert. Und er war klug genug, den Wolf nicht erst hereinkommen zu lassen, sondern ihn mit gezückter Waffe zu zwingen, die Tür freizugeben. Nachtauge wich der Klinge zwar mit Leichtigkeit aus, aber der Bann war gebrochen. Der Junge nutzte seinen Vorteil und folgte dem Wolf in die Dunkelheit hinaus. Kaum war die Tür wieder frei, schlug der alte Mann sie zu.
»Willst du hierbleiben und mit mir zusammen verbrennen?«, fragte ich ihn, um erneut ein Gespräch anzuknüpfen.
Im Bruchteil einer Sekunde hatte er sich entschieden. »Das Vergnügen überlasse ich dir gern allein!«, schleuderte er mir entgegen. Er riss die Tür wieder auf und stürmte hinaus.
Nachtauge! Er hat den Schlüssel! Der Alte, der eben wegläuft.
Ich hole ihn.
Nun war ich allein in meinem Gefängnis. Irgendwie rechnete ich damit, dass der Junge wiederkam, doch er blieb verschwunden. Ich umfasste die Eisenstäbe und rüttelte an der Tür. Sie bewegte sich kaum. Ein Stab fühlte sich locker an. Ich zog daran, stemmte die Füße gegen die Tür und setzte meine ganze Kraft ein. Endlich, endlich brach ein Ende aus dem Holz, und ich bog den Stab nach unten und dann hin und her, bis ich ihn in der Hand hielt. Doch selbst wenn es mir gelingen sollte, alle Stäbe herauszureißen, war die Öffnung noch immer zu klein für mich. Und um als Brecheisen zu dienen, war der Stab zu dick. Er ließ sich nicht in die Ritzen zwischen Tür und Mauerwerk schieben. Der immer dicker werdende Rauch stieg mir beißend in die Nase. Das Feuer war bereits ganz nah. Ich warf mich mit der Schulter gegen die Tür, doch sie blieb fest in den Angeln. Ich streckte den Arm durch das Fensterchen und langte nach unten. Meine ausgestreckten Finger trafen auf einen schweren Metallriegel. Ich tastete daran entlang bis zu dem Schloss, das ihn festhielt. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte ich es berühren, aber das war auch alles. Wurde es tatsächlich wärmer in der Baracke, oder bildete ich mir das nur ein?
Ich stieß blind mit meinem Eisenstab gegen das Schloss und die Klammern des Riegels, als die Außentür sich öffnete. Ein Soldat in goldbrauner Uniform kam herein und rief »Ich komme, um den Bastard zu holen!« Dann flog sein Blick durch den leeren Raum. Als er aber die Kapuze zurückwarf, erkannte ich in ihm Merle. Ich starrte sie ungläubig an.
»Das ist leichter, als ich zu hoffen gewagt hätte«, meinte sie mit einem breiten Grinsen, das auf ihrem zerschlagenen Gesicht fürchterlich aussah, und mehr wie ein Zähnefletschen wirkte.
»Vielleicht auch nicht«, dämpfte ich ihre Zuversicht. »Die Tür ist verriegelt.«
Das Grinsen erlosch. »Verflucht! Die Rückseite der Baracke schwelt bereits.«
Mit der unverletzten Hand entriss sie mir den Stab. Gerade als sie ihn hob, um damit auf das Schloss einzuhämmern, erschien Nachtauge in der Tür. Er kam in den Raum getrabt und ließ die Gürteltasche des alten Mannes auf den Boden fallen. Blut färbte das Leder dunkel.
Maßlos bestürzt schaute ich ihn an. »Du hast ihn getötet?«
Ich habe von ihm genommen, was du brauchst. Beeil dich. Die Rückseite dieses Käfigs brennt.
Einen Augenblick lang fühlte ich mich wie gelähmt. Ich schaute Nachtauge an und konnte nicht fassen, was durch mich aus ihm geworden war. Er hatte etwas von der Unschuld des Tieres verloren. Merles Augen wanderten von ihm zu mir und zu dem Beutel auf dem Boden. Sie rührte sich nicht.
Und du hast etwas von dem verloren, was dich zum Menschen macht. Wir haben keine Zeit für solche Gedanken, Bruder. Würdest du nicht einen Wolf töten, wenn es darum ginge, mein Leben zu
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