Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
über ihn zu ärgern. »Das sieht ihm ähnlich«, empörte ich mich und schüttete die Tasche auf der Werkbank des Narren aus, damit er die ganze Bescherung in Augenschein nehmen konnte. »Da! Gifte und Messer! Das fällt ihm für mich ein. Das ist immer noch sein Bild von mir! Der Tod ist alles, was er sich für mich vorstellen kann!«
»Du solltest das wirklich nicht als einen Wink mit dem Zaunpfahl betrachten«, bemerkte der Narr milde. Er schob das Messer von der Marionette weg, an der er gerade die Schnüre anbrachte. »Vielleicht dachte er, du könntest das eine oder das andere zu deinem Schutz gebrauchen.«
»Verstehst du nicht?«, fuhr ich ihn an. »Dies sind alles Geschenke für den Knaben, dem Chade das Handwerk des Meuchelmörders beigebracht hatte. Er will nicht sehen, dass ich heute ein anderer bin. Er kann mir nicht verzeihen, dass ich ein eigenes Leben führen will.«
»Ebenso wenig, wie du ihm verzeihen kannst, dass er nicht mehr dein gütiger, leicht angestaubter Mentor ist«, bemerkte der Narr trocken. Er knotete die Schnüre vom Führungskreuz an den Gliedmaßen der Marionette fest. »Es ist schon irgendwie unheimlich, nicht wahr, ihn so als entschlossenen Krieger zu erleben, wie er sich für seine Überzeugung voller Freude in Gefahr begibt, wie er mit den Frauen anbändelt und sich überhaupt in allem so benimmt, als habe er Anspruch auf ein Leben nach eigener Fasson?«
Seine Worte trafen mich wie ein Guss kaltes Wasser. Konnte es möglich sein, dass ich nur neidisch war, weil Chade für sich kühn beanspruchte, was mir nicht vergönnt zu sein schien? »Das hat damit gar nichts zu tun!«, fauchte ich den Narren an.
Die Marionette wackelte zurechtweisend mit dem Finger, während der Narr mir über ihren Kopf hinweg zublinzelte. »Mir scheint ganz so«, sagte der Narr zu niemand besonderem, »als ob es nicht Veritas’ Bockshaupt ist, das Chade auf der Stirn trägt. Nein, das Wappen, für das er sich entschieden hat, ähnelt mehr - lass mich kurz überlegen - jenem, das Prinz Veritas dem illegitimen Sohn seines Bruders einst zuteilte. Verrät dir das nicht vielleicht etwas?«
Ich schwieg eine Weile. Dann fragte ich widerwillig: »Was soll es mir denn verraten?«
Der Narr schwang die Marionette auf den Boden, wo das knochige Geschöpf schlenkernd seine Gliedmaßen zurechtschüttelte. »Weder König Listenreichs Tod noch die Gerüchte über Veritas’ Verschwinden und möglichen Tod haben diesen alten Fuchs aus seinem Schlupfloch gescheucht. Erst als er glauben musste, du seist ermordet worden, loderte die Flamme des Zorns in ihm heiß genug, dass er seine Tarnung aufgab, aus dem Schatten hervortrat und öffentlich erklärte, er werde dafür sorgen, dass ein echter Weitseher den Thron besteigt.« Die Marionette stampfte mit dem Fuß auf.
»Willst du sagen, er tut das für mich, und nur um meinetwillen? Obwohl er weiß, dass es das Letzte ist, was ich wünsche, nämlich dass meine Tochter diesem Thron geopfert wird, der so viele Leben vergiftet?«
Die Marionette kreuzte die Arme und wiegte nachdenklich den Kopf. »Mir scheint, dass Chade immer getan hat, was seiner Meinung nach das Beste für dich war. Ob du nun derselben Ansicht warst oder nicht. Vielleicht legt er jetzt auch auf deine Tochter seine schützenden Hände. Immerhin ist sie seine Großnichte und der letzte lebende Spross seines Geschlechts. Abgesehen von Edel und dir natürlich.« Die Marionette vollführte ein paar Tanzschritte. »Welche andere Möglichkeit hat ein Mann in seinem Alter, die Zukunft eines so kleinen Kindes zu sichern? Er rechnet nicht damit, ewig zu leben. Vielleicht denkt er, besser sie sitzt auf dem Thron, als dass sie davor kniet und der Gnade eines anderen ausgeliefert ist.«
Ich wandte dem Narren den Rücken zu und suchte Kleidungsstücke für die Wäsche zusammen. Er hatte mir einiges zu denken gegeben; ich brauchte Zeit, um seine Worte zu verarbeiten.
Ich war inzwischen bereit, Kettrickens Zusammenstellung der Ausrüstung für ihre Expedition gutzuheißen, und aufrichtig dankbar, dass sie auch für meine Ausstattung gesorgt hatte. Hätte sie mich in dieser Hinsicht außer Acht gelassen, so hätte ich ihr nicht unbedingt einen Vorwurf machen können. Doch Jofron erschien eines Tages mit einem Stapel Kleidung und Bettzeug für mich und wollte Maß für die beutelartigen Stiefel nehmen, die man in den Bergen trug. Sie erwies sich als vergnügliche Gesellschaft, denn sie und der Narr brachen sogleich
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