Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Sache entschieden.
Ich habe niemals eine Expedition erlebt, bei der ein Aufbruch genau nach Plan verlaufen wäre. Es gilt die Faustregel, je größer sie ist, desto größer auch die Missgeschicke. In der Morgendämmerung des Tages, an dem wir aufbrechen wollten, wurde ich grob wachgerüttelt.
»Steh auf, Fitz, es ist so weit«, sagte Kettricken drängend.
Trotzdem - und obwohl ich augenblicklich hellwach war - setzte ich mich nur langsam auf. Die frisch verheilte Wunde schmerzte noch immer bei jeder hastigen Bewegung. Der Narr hockte auf der Bettkante und sah völlig verwirrt aus.
»Was ist?«, fragte ich.
»Edel!« - Ich hatte nicht gewusst, dass ein einziges Wort so viel Gift enthalten konnte. Kettrickens Gesicht war leichenblass, und sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Er hat einen Parlamentär zu meinem Vater gesandt und beschuldigt uns, einem bekannten Hochverräter aus den Sechs Provinzen Unterschlupf zu gewähren. Er sagt, wenn wir dich an ihn ausliefern, wird er das als Beweis unseres guten Willens ansehen und uns nicht weiter als Feinde betrachten. Doch falls wir uns weigern, wird er den Truppen, die er an unseren Grenzen zusammengezogen hat, den Befehl zum Angriff geben, denn er weiß dann, dass wir mit seinen Gegnern gemeinsame Sache machen.« Sie schwieg einen Augenblick. »Mein Vater denkt gerade über seine Antwort nach.«
»Kettricken, ich bin nur ein Vorwand.« Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Nachtauge winselte aufgeregt. »Du weißt, dass er Monate gebraucht hat, diese Truppen zu sammeln und in Stellung zu bringen. Sie stehen nicht an der Grenze, weil ich hier bin, sondern weil er vorhat, dem Bergreich auf jeden Fall den Krieg zu erklären. Du kennst Edel. Er klopft auf den Busch, um herauszufinden, ob er euch so weit einschüchtern kann, dass ihr mich ihm ausliefert.«
»Ich bin kein Dummkopf«, antwortete sie kühl. »Unsere Späher beobachten seit Wochen diese Truppenbewegungen. Wir haben getan, was möglich war, um uns auf einen Krieg vorzubereiten. Stets sind die Berge unsere beste Verteidigung gewesen, doch nie zuvor haben wir es mit einem derart gut organisierten Gegner in solcher Stärke zu tun gehabt. Mein Vater ist ein geweihtes OPFER, Fitz. Er muss tun, was immer für das Bergreich das Beste ist. Deshalb muss er auch in Betracht ziehen, ob deine Auslieferung sich für ihn bei Verhandlungen mit Edel vorteilhaft auswirken könnte. Glaube nicht, mein Vater wäre einfältig genug, ihm einfach zu vertrauen. Doch je länger er den Ausbruch der Feindseligkeiten hinauszögern kann, desto besser ist es für uns.«
»Das hört sich an, als wäre die Entscheidung schon so gut wie gefallen«, meinte ich bitter.
»Mein Vater hätte mich von diesem Ultimatum nicht in Kenntnis zu setzen brauchen«, antwortete Kettricken. »Doch er ist es allein, der entscheidet.« Unsere Blicke trafen sich, und in ihren Augen entdeckte ich einen Abglanz unserer alten Freundschaft. »Ich glaube, es liegt in seiner Absicht, mir die Gelegenheit zu geben, dich heimlich aus der Stadt zu bringen, bevor ich gezwungen bin, mich offen gegen ihn und seinen Befehl aufzulehnen, dich an Edel auszuliefern. Vielleicht will er Edel sagen, du wärst geflohen, doch er werde alles daransetzen, deiner habhaft zu werden.«
Hinter Kettricken war der Narr dabei, unter seinem Nachthemd in die Hosen zu steigen.
»Es wird schwieriger werden, als ich geplant hatte.« Kettricken runzelte die Stirn. »Ich darf keinen anderen aus meinem Volk in diese Sache mit hineinziehen. Wir sind auf uns allein gestellt, du, ich und Merle. Und wir müssen sofort aufbrechen, schon innerhalb der nächsten Stunde.«
»Ich werde bereit sein«, versprach ich.
»Wir treffen uns hinter Joss’ Holzschuppen.« Damit ging sie hinaus.
Ich schaute den Narren an. »Nun gut. Sagen wir Krähe Bescheid?«
»Weshalb fragst du mich?«
Ich zuckte die Schultern, dann stand ich auf und schlüpfte hastig in meine Kleider. Dabei fielen mir die tausend Kleinigkeiten ein, die eigentlich noch zu tun gewesen wären, aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Sehr bald waren der Narr und ich bereit, unser Bündel zu schultern. Nachtauge erhob sich, reckte sich ausgiebig und trottete vor uns zur Tür. Ich werde das Feuer vermissen. Dafür wird die Jagd draußen besser sein. Er nahm alles mit bewundernswerter Gelassenheit hin.
Der Narr ließ zum Abschied noch einmal den Blick durch sein Heim wandern; dann schloss er die Tür hinter uns. »Das war die erste
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