Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Wohnung, die mir allein gehört hat«, sagte er, als wir den Weg zum vereinbarten Treffpunkt einschlugen.
»Du lässt viel zurück, um uns zu folgen«, entgegnete ich unbeholfen und dachte an sein Schnitzwerkzeug, seine halbfertigen Marionetten, sogar an die Pflanzenkästen am Fenster. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich für alles verantwortlich, was ihn betraf. Vielleicht, weil ich insgeheim doch so froh war, nicht allein die Reise ins Ungewisse antreten zu müssen.
Der Narr warf mir einen kurzen Blick zu und zuckte mit den Schultern. »Ich nehme mich selbst mit. Das ist alles, was ich wirklich brauche oder besitze.« Er sah über die Schulter zu der Tür zurück, die er selbst gestrichen hatte. »Jofron wird gut darauf aufpassen. Und auch auf Krähe.«
Ich fragte mich, ob er nicht vielleicht mehr zurückließ, als ich wusste.
Wir hatten den Holzschuppen fast erreicht, als ich eine Schar Kinder bemerkte, die uns auf dem Pfad entgegenkam. »Da ist er!«, rief eines der Kinder und zeigte auf uns. Ich tauschte einen verdutzten Blick mit dem Narren; dann blieb ich stehen und wartete darauf, dass sie auf uns losgehen würden. Doch wie verteidigte man sich gegen Kinder? Der Wolf aber dachte nicht daran zu warten. Er ließ sich flach auf den Bauch sinken, selbst die Rute lag platt am Boden. Als die Kinder dann näher kamen, schoss er auf sie los und geradewegs auf den Anführer der Horde zu. »NEIN!«, schrie ich entsetzt, aber niemand achtete auf mich. Der Wolf sprang dem Jungen mit den Vorderpfoten gegen die Brust und stieß ihn in den Schnee, setzte blitzschnell über ihn hinweg und hinter den anderen Kindern her, die kreischend in alle Richtungen flohen. Eins nach dem anderen holte er ein und walzte es nieder. Als das letzte in den Schnee geplumpst war, hatte der erste Junge sich wieder aufgerappelt, tollte jauchzend hinter ihm her und versuchte, seinen Schwanz zu packen, während Nachtauge mit hechelnder Zunge an ihm vorbeirannte.
Das ganze Spiel wiederholte sich noch zweimal, bis er in seiner wilden Jagd innehielt. Er schaute zu, wie die Kinder sich aus dem Schnee aufrafften. Dann schielte er zu mir, legte verlegen die Ohren an den Kopf und sah wieder zu den Kindern hin. Dabei bewegte sein Schwanz sich langsam hin und her. Ein Mädchen kramte bereits ein Stück Schmalzgebäck aus der Tasche, während ein Junge vor ihm einen Lederriemen in Schlangenlinien über den Schnee zog und versuchte, ihn zum Tauziehen herauszufordern. Ich tat so, als ob ich nichts davon bemerkt hätte.
Ich komme später nach, ließ er mich wissen.
Selbstverständlich. Der Narr und ich setzten unseren Weg fort. Bei einem Blick zurück sah ich, wie sich der Wolf in das Leder verbiss und sich mit allen vieren und der Kraft entgegenstemmte, mit der am anderen Ende des Leders zwei Jungen aus Leibeskräften zogen. Jetzt wusste ich, wie er seine Nachmittage verbracht hatte. Und ich muss zugeben, es versetzte mir einen Stich.
Kettricken wartete bereits, und mit ihr sechs beladene Jeppas. Nachträglich wünschte ich mir, ich hätte mir die Mühe gemacht, die Tiere besser kennenzulernen und etwas über ihre Behandlung zu erfahren, doch ich war davon ausgegangen, dass die anderen sich um sie kümmern würden. »Wir nehmen sie trotzdem alle mit?«, fragte ich unglücklich.
»Es würde zu lange dauern, die Lasten abzunehmen, neu zu packen und wieder aufzuladen. Wir können unterwegs die Ausrüstung und Tiere zurücklassen, die wir nicht brauchen. Jetzt aber müssen wir schnell los.«
»Dann brechen wir auf.«
Kettricken wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an den Narren. »Was willst du hier? Fitz Lebewohl sagen?«
»Ich gehe, wohin er geht«, erwiderte der Narr ruhig.
Die Königin schaute ihn an, und ihre harten Züge wurden weicher. »Es wird sehr kalt sein, Narr. Ich habe nicht vergessen, wie du während unserer Flucht unter der Kälte gelitten hast. Weiter oben in den Bergen herrscht ein harter Winter, auch wenn es in Jhaampe schon lange Frühling geworden ist.«
»Ich gehe, wohin er geht«, wiederholte der Narr unbeeindruckt.
Kettricken schüttelte den Kopf. Sie wandte sich schulterzuckend ab, schritt zur Spitze der Jeppakolonne und schnippte mit den Fingern. Das Leittier setzte sich gehorsam in Bewegung, worauf die anderen fünf ihm folgten. Ihre Folgsamkeit beeindruckte mich. Ich spürte kurz zu ihnen hin und stieß auf einen derartig stark entwickelten Herdeninstinkt, dass sie sich kaum als Einzelwesen betrachteten. Solange
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