Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
dankbar, weil du ihn in Jhaampe oft gefüttert hast.«
Der Narr versuchte in der Dunkelheit mein Gesicht zu erkennen. »Wirklich? Ich wusste nicht, dass Tiere ein so langes Gedächtnis haben.«
Seine Worte brachten mich zum Nachdenken. »Im Allgemeinen nicht. Aber heute Nacht erinnert er sich daran, dass du ihn gefüttert hast, und ist dir dankbar.«
Der Narr hob die Hand und kraulte Nachtauge hinter den Ohren. Der Wolf gab ein welpenartiges wohliges Brummen von sich und schmiegte sich noch dichter an den Narren. Währenddessen konnte ich mich nicht genug über die Veränderungen wundern, die ich an ihm bemerkte. Mehr und mehr wandelte sich sein Verhalten und sein Denken zu einer Mischung aus Mensch und Wolf.
Ich war jedoch zu müde, um länger darüber nachzugrübeln, schloss die Augen und wartete auf den Schlaf.
Ich starrte unruhig unter die gewölbte Decke der Jurte, lauschte auf den Wind draußen und auf die Atemzüge meiner Gefährten. Dann schloss ich die Augen und gab meinen Muskeln den Befehl, sich endlich zu entspannen. Wenigstens mein Körper sollte sich erholen. Wenn ich nur endlich ruhig schlafen könnte! Doch vereinzelte Gabenträume peinigten mich wie spitze Widerhaken in meinem Gehirn, bis ich glaubte, aufschreien zu müssen. Die meisten waren grauenhaft. Da eine Art Entfremdungszeremonie in einem Küstendorf, dort ein großes Feuer in einer Grube und Gefangene, die von johlenden Outislandern herangezerrt wurden und danach zwischen Entfremdung und dem Feuertod wählen durften. Kinder mussten all dem zuschauen. Schaudernd lenkte ich meine Gedanken weg von den Flammen.
Ich atmete gleichmäßig aus und ein und zwang mich, ruhig zu bleiben. Einfach nur schlafen. In einer Kammer voller Truhen und Kästen trennte Lacey behutsam kostbare Spitze von einem alten Hochzeitskleid aus weißem Brokat, der im Laufe der Jahre vergilbt war. Ihre Lippen kniffen sich zu einem Ausdruck der Missbilligung zusammen, während sie die winzigen Stiche aufzupfte, mit denen der reiche Besatz festgenäht war. »Das wird einen guten Preis bringen«, sagte Philia zu ihr. »Vielleicht reicht es, um die Wachtürme einen weiteren Monat zu besetzen. Er würde verstehen, dass wir Opfer bringen müssen, um Bock zu verteidigen.« Sie strahlte trotz ihrem grauer gewordenen, hochgesteckten Haar unnachgiebigen Stolz aus. Ihre Finger lösten eine prächtige Reihe aus kleinen Perlen am Mieder des Kleides, und die üppigen Stoffkaskaden der weiten Röcke ergossen sich raschelnd über ihren und Laceys Schoß bis hin zum Boden. Philia neigte plötzlich wie lauschend den Kopf und hatte einen verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht. Ich floh.
Es kostete mich eine erhebliche Anstrengung, die Augen zu öffnen. Das Feuer in dem kleinen Becken glühte nur noch schwach und verbreitete einen rötlichen Schein. Ich betrachtete das Gerüst der Stangen, die unsere Zeltplane trugen, und zwang mich, tief und gleichmäßig zu atmen. Nur nicht an etwas denken, das mich aus meinem eigenen Leben hinauslockte, nicht an Molly, nicht an Burrich, nicht an Veritas. Ich bemühte mich um ein unverfängliches Bild, an das ich mich klammern konnte, etwas ohne tiefere Bedeutung für mich. Ich rief in Gedanken eine weite, leere Fläche unter einer weißen Schneedecke in mir wach, die von einem sternenklaren Nachthimmel umgeben war. Dazu gesegnete Stille...
Dann kommt jedoch ein Reiter im Galopp daher, er hat sich tief über den Nacken seines Pferdes gebeugt und treibt es an. Das Paar vermittelt einen Eindruck schlichter, ungefährlicher Schönheit: das galoppierende Pferd und der flatternde Umhang des Mannes, dessen Bewegung sich im fliegenden Schweif des Tieres fortsetzt. Eine Zeitlang bleibt das Bild unverändert und wirkt wie ein Scherenschnitt von einem Pferd und seinem Reiter vor weißem Hintergrund: Der Rappe läuft gut, mühelos, und der Reiter sitzt leicht im Sattel; fast scheint er über dem wogenden Rücken des Tieres zu schweben. Das Mondlicht wirft sein silbernes Licht auf das Stirnband des Mannes und lässt dort ein Bockswappen aufglänzen. - Es ist Chade.
Drei weitere Reiter tauchen auf, zwei hinter ihm, einer kommt seitlich und nähert sich im spitzen Winkel. Die Reittiere der beiden hinteren Verfolger scheinen mit den Kräften am Ende zu sein und werden ihn wohl nicht mehr einholen können. Der andere Verfolger jedoch kommt mit seinem Schecken, den er reitet, immer näher. Nach der zierlichen Statur des Reiters zu urteilen, handelt es sich um eine
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