Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
sie sich fast kühl an. Ich stopfte die Decken um ihn herum fest zusammen. »Hat er etwas gegessen?«, fragte ich Kettricken.
»Er hat etwas Suppe getrunken. Ich glaube, er wird sich erholen, Fitz. In Blauer See habe ich ihn schon einmal so erlebt. Es war genau das Gleiche, ein vorübergehendes Fieber und Schwächeanfälle. Damals sagte er, es sei vielleicht keine Krankheit, sondern nur eine Verwandlung, die Angehörige seiner Rasse durchmachten.«
»Gestern hat er zu mir etwas Ähnliches gesagt.« Ich nahm die Schale mit heißer Suppe entgegen, die sie mir reichte. Im ersten Augenblick roch sie recht gut, doch dann musste ich an den Rest Suppe denken, den die erschreckten Soldaten verschüttet hatten, als sie aufgesprungen waren, und mir verging der Appetit.
»Habt ihr die anderen zu Gesicht bekommen?«, erkundigte sich Kettricken.
Ich schüttelte zuerst nur den Kopf, dann zwang ich mich zu einer vollständigen Antwort. »Nein. Aber eins der Pferde war sehr groß, und in den Satteltaschen befanden sich Gewänder, die Burl gepasst haben würden. In einer anderen waren vor allem blaue Kleider, was auch Carrods bevorzugte Farbe ist. Dazu noch Sachen in dem strengen Schnitt, den Will trägt.«
Ihre Namen wollten mir kaum über die Lippen, als wären sie eine Beschwörung, um die Genannten herbeizurufen. In anderer Hinsicht waren es die Namen von Männern, die ich getötet hatte. Gabenkundig oder nicht, ohne Ausrüstung waren sie in den Bergen hoffnungslos verloren. Trotz allem war ich nicht stolz auf das, was ich getan hatte, und nicht bereit, wirklich an ihren Tod zu glauben, bis ich ihre Gebeine sah. Vorläufig wusste ich nur, dass ich in dieser Nacht aller Wahrscheinlichkeit nach Ruhe vor ihnen haben würde. Ich stellte mir vor, wie sie in der Erwartung zu dem Pfeiler zurückkehrten, in ihrem Lager ein Essen, ein Feuer und ihr Zelt vorzufinden, doch stattdessen würden sie nur von Kälte und Düsternis empfangen. Und sie würden keinen Hinweis darauf haben, was sich dort ereignet hatte, denn das Blut im Schnee konnten sie nicht mehr sehen.
Die Suppe wurde kalt, und ich zwang mich zu essen. Einen Mundvoll nach dem anderen schluckte ich einfach hinunter, um nichts schmecken zu müssen. Unschlitt hatte die Blechpfeife gespielt. Ein Bild aus der Erinnerung stieg vor mir auf: Er saß auf den Stufen an der Hintertür der Spülküche und brachte den Mägden ein Ständchen. Ich schloss die Augen und wünschte mir vergeblich, ich könnte mich an etwas Schlechtes über ihn erinnern. Sein einziges Verbrechen hatte wahrscheinlich darin bestanden, dem falschen Herrn zu dienen.
»Fitz,!« Krähe versetzte mir einen Stoß.
»Ich war nicht abwesend«, beschwerte ich mich.
»Es hätte nicht mehr lange gedauert. Die Angst ist den ganzen Tag über deine Verbündete gewesen. Sie hat dich in der Gegenwart festgehalten. Aber irgendwann heute Nacht wirst du schlafen, und dann muss dein Bewusstsein gut abgeschirmt sein. Wenn sie zu dem Pfeiler kommen, werden sie deine Handschrift erkennen und sich auf die Jagd nach dir machen. Oder denkst du etwas anderes?«
Ich wusste natürlich genau, das es so war, aber es laut ausgesprochen zu hören, bereitete mir dennoch Unbehagen. Auch wünschte ich mir, Kettricken und Merle würden uns nicht zuhören und beobachten.
»Gut. Dann wollen wir unser Spiel hervorholen, einverstanden?«
Wir spielten vier Partien, ich gewann zweimal. Dann baute Krähe ein Spiel fast ausschließlich mit Weiß auf und gab mir einen schwarzen Stein, um es zu meinen Gunsten zu entscheiden. Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren; schließlich hatte es früher schon so funktioniert, aber jetzt war ich einfach zu müde. Statt mir die Anordnung der Steine einzuprägen, musste ich daran denken, dass es über ein Jahr her war, seit man mich für tot gehalten und aus den Toren Bocksburgs hinausgetragen hatte. Mehr als ein Jahr war es her, seit ich in einem richtigen, meinem eigenen Bett geschlafen hatte. Mehr als ein Jahr war vergangen, seit ich Molly in den Armen gehalten hatte, und mehr als ein Jahr, seit sie aus meinem Leben gegangen war.
»Fitz. Hör auf damit.«
Ich hob den Kopf und sah Krähes strafenden Blick auf mir ruhen. »Du darfst dir keine Schwäche erlauben. Du musst stark sein.«
»Ich bin zu müde, um stark zu sein.«
»Deine Feinde sind heute unvorsichtig gewesen. Sie haben nicht damit gerechnet, dass du sie aufspüren könntest. In Zukunft werden sie wachsamer sein.«
»Ich hoffe, sie sind
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