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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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er mich nach einem solchen Erkundungsgang.
    »Wie lange bist du schon in diesem Gewerbe?«, fragte Krähe mich nach einer Weile.
    Ich verzichtete darauf, so zu tun, als hätte ich die Frage nicht verstanden. »Seit ungefähr meinem zwölften Lebensjahr.«
    »Und wie viele Menschen hast du getötet?«
    Hinter der Kaltschnäuzigkeit der Frage verbarg sich aufrichtige Anteilnahme. »Ich weiß nicht. Mein... Lehrer riet mir davon ab, Buch zu führen. Er sagte, es wäre dem Seelenfrieden nicht zuträglich.« Das waren nun nicht unbedingt seine Worte gewesen, denn an die erinnerte ich mich ganz genau. »Nach dem ersten Mord kommt es nicht mehr darauf an, wie viele danach noch folgen«, hatte Chade gesagt. »Wir wissen, was wir sind. Die Anzahl der Morde macht dich weder besser noch schlechter.«
    Ich dachte noch einmal über die Richtigkeit dieser Behauptung nach, als Krähe in die Dunkelheit hinein sagte: »Ich habe zuvor nur ein einziges Mal getötet.«
    Ich stellte nicht die erwartete Frage. Sollte sie mir davon erzählen, wenn es denn sein musste, doch eigentlich wollte ich es gar nicht wissen.
    Ihr Arm in meinem begann leicht zu zittern. »Ich habe sie im Jähzorn getötet. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Sie war immer stärker gewesen als ich. Doch am Ende lebte ich, und sie starb. Also haben sie mir die Gabe ausgebrannt und mich ausgestoßen. Mich für den Rest meines Lebens in die Verbannung geschickt.« Ihre Hand suchte nach der meinen und umfasste sie mit festem Griff. Wir gingen weiter. Vor uns erspähte ich einen winzigen hellen Fleck, höchstwahrscheinlich das Glutbecken in der Jurte.
    »Was ich getan hatte, war völlig undenkbar«, sagte Krähe müde. »Nie zuvor war etwas Derartiges geschehen. Oh, zwischen den einzelnen Zirkeln schon, gewiss, ein- oder zweimal in Jahrhunderten, aber nur aus Rivalität um die Gunst des Königs. Doch ich griff mit der Gabe eine Angehörige meines eigenen Zirkels an und tötete sie. Und das war unverzeihlich.«

KAPITEL 29
    DIE HAHNENKRONE
    I m Bergreich gibt es ein besonderes Spiel, schwer zu lernen und noch schwerer, es zu beherrschen. Es setzt sich zusammen aus Karten und Runenplättchen. Die Karten sind siebzehn an der Zahl, gewöhnlich von der Größe einer Männerhand und aus einem beliebigen hellen Holz gefertigt. Auf jeder Karte ist eine Gestalt aus der Mythologie der Berge abgebildet, wie zum Beispiel Der Alte Webermann oder Die Fährtenleserin. Diese sehr stilisierten Darstellungen sind meist in Brandmalerei ausgeführt und zusätzlich koloriert. Die einunddreißig Runenscheiben bestehen aus einem grauen Gestein, das in den Bergen vorkommt, und tragen eingraviert die Schriftzeichen für Stein, Wasser, Anger und so weiter. Karten und Steine werden an die Spieler - meistens sind es drei - ausgegeben, bis alle verteilt sind. Jeder Karte und jeder Rune ist ein bestimmter Wert zugeordnet, der sich verändert, je nachdem wie man beides miteinander kombiniert. Angeblich ist es ein sehr altes Spiel.
     
    Den Rest des Wegs bis zur Jurte legten wir schweigend zurück. Was Krähe erzählt hatte, war so ungeheuerlich, dass mir die Worte fehlten. Es wäre dumm gewesen, die hundert Fragen auszusprechen, die mir auf der Zunge brannten. Sie besaß die Antworten, und sie würde entscheiden, wann der geeignete Zeitpunkt gekommen war, sie mir zu geben. So viel wusste ich jetzt zumindest. Nachtauge tauchte lautlos auf und lief dicht neben mir her.
    Sie hat innerhalb ihres Rudels getötet?
    So scheint es.
    Das kommt vor. Es ist nicht gut, doch es kommt vor. Sag ihr das.
    Nicht jetzt.
    Man empfing uns ohne viel Worte. Niemand wollte die leidige Frage stellen. Also sagte ich nüchtern: »Wir haben die Soldaten getötet und die Pferde davongejagt und alles, was wir nicht brauchen konnten, in den Abgrund geworfen.«
    Merle starrte uns an, als hätte sie nicht begriffen, was ich soeben gesagt hatte. Ihre Augen waren groß und dunkel wie die eines Vogels. Kettricken schenkte uns Tee ein und fügte kommentarlos den mitgebrachten Proviant unseren eigenen schwindenden Vorräten hinzu. »Dem Narren geht es ein wenig besser«, bemerkte sie schließlich, um den Schatten zu verjagen, der mit uns ins Zelt gekommen war.
    Ich betrachtete ihn, wie er in seinen Decken lag und schlief, bis in mir Zweifel aufkamen. Seine Augen wirkten so eingesunken. Er schwitzte, und von seinem unruhigen Schlaf stand ihm das feine Haar in Büscheln vom Kopf ab. Doch als ich die Hand an seine Wange legte, fühlte

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