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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Herz schlug wie ein Hammer. Es war weder Veritas noch der Narr, so viel realisierte ich auf den ersten Blick. Der Mann war kleiner als ich, hatte sandfarbenes Haar und hielt das Schwert auf kundige Art. Er war in Edels Farben gekleidet, doch er hatte weder Burls untersetzte Gestalt noch die schlanke und dunkle Figur von Will. Es war ein mir vollkommen Fremder, aber er war doch offensichtlich in Edels Diensten.
    Schlagartig wurde mir alles klar. Wie konnte ich denn nur so dumm sein? - Will und Burl hatten ihre Eskorte verloren, dazu ihre Pferde und Vorräte. An zehn Fingern konnte man sich deshalb ausrechnen, dass sie zu Edel dachten, damit er neue Männer und Ausrüstung schickte. Bei den andauernden Grenzstreitigkeiten war es für einen kleinen Trupp ein Leichtes, unbemerkt durch die feindlichen Reihen zu schlüpfen, Jhaampe zu umgehen und die Gabenstraße zu erreichen. Der Bergrutsch zwischen uns und ihnen war dabei zwar eine durchaus beachtliche Barriere, aber keineswegs unüberwindlich. Das Leben seiner Männer aufs Spiel zu setzen, darin kannte sich Edel gut aus. Ich fragte mich, wie viele die Überquerung dieser Hölle aus Stein versucht hatten und wie viele dabei in die Tiefe gestürzt sein mochten. Auf jeden Fall waren Will und Burl wieder wohlgerüstet.
    Dann durchfuhr mich ein entsetzlicher Gedanke. Vielleicht besaß der Mann da vorne die Gabe? Nichts konnte Will daran hindern, sich eine Schar von Handlangern heranzubilden. Er besaß sämtliche Bücher und Schriften Solizitas’, und wenn das Vermögen zur Gabe im Volk auch nicht weit verbreitet war, so war sie auch nicht besonders selten. Innerhalb kürzester Zeit hatte meine Fantasie diesen einen Mann erstaunlicherweise zu einer ganzen und übermächtigen Armee Edels vervielfältigt. Ich lehnte mich an den steinernen Keiler und bemühte mich, trotz meiner um sich greifenden Angst die Ruhe zu bewahren. Einen Augenblick lang wurde ich von düsterer Verzweiflung gepackt. Mir war endlich klargeworden, über welche gewaltigen Ressourcen Edel verfügte, die er gegen uns ins Feld führen konnte. Dies war keineswegs nur eine Privatfehde zwischen uns. Dies war ein König mit der Armee eines Königs und der Macht eines Königs, und er hatte das Recht, Hochverräter verfolgen und töten zu lassen. Das Einzige, was Edel bislang die Hände gebunden hatte, war die Furcht und die Nachricht von Veritas’ Überleben. Doch hier, in dieser entlegenen Gegend, brauchte er keine Skrupel mehr zu haben. Er konnte seine Soldaten umstandslos dazu benutzen, um seinen Bruder und seinen Neffen zu beseitigen, dazu seine Schwägerin und alle anderen unliebsamen Zeugen. Zudem hatte er dann noch seinen Zirkel, um ihm schließlich auch noch die beteiligten Soldaten vom Hals zu schaffen.
    Das alles schoss mir wie ein Blitz durch den Kopf. Ich musste den Pfeiler erreichen! Ich musste in den Steinbruch zurückkehren und Veritas davor warnen. Falls es nicht bereits zu spät war.
    Sobald ich dieses Ziel vor mir sah, wurde ich ruhiger. Ich erwog, zu Veritas zu denken; - aber nein: Bis ich nicht genauer über den Feind Bescheid wusste, durfte ich kein Risiko eingehen. Ich betrachtete die Situation deshalb, als handele es sich um Krähes Spiel. Es ging nur um Steine, die man gewann oder die man aus dem Feld schlug. Der Mann befand sich zwischen mir und dem Pfeiler. So weit, so gut. Blieb nur noch herauszufinden, ob er allein war, und falls nicht, mit wie vielen Gegnern ich es zu tun hatte. Ich zog mein Gürtelmesser, atmete noch einmal tief durch, und dann setzte ich mich in Bewegung.
    Ich war inzwischen einigermaßen mit den Örtlichkeiten vertraut, und das kam mir durchaus gelegen, als ich von dem Drachen zu einem alten Baumstumpf huschte und alle möglichen Deckungen ausnutzte. Bevor es ganz dunkel geworden war, war mir klar, dass ich drei Männern gegenüberstand, und sie schienen allein den Pfeiler zu bewachen. Es schien eher unwahrscheinlich, dass sie hier waren, um mich zu jagen. Sie hatten vielmehr den Auftrag, dafür zu sorgen, dass niemand außer Edels Zirkel den Pfeiler benutzte. Ich hatte inzwischen ihre Spuren gefunden, die von der Gabenstraße herführten, und es waren frische Spuren; das Eintreffen der Männer lag demnach erst kurze Zeit zurück. Man konnte also davon ausgehen, dass sie die Gegend besser kannten als ich und dass sie nicht über die Gabe verfügten, da sie unnötigerweise den langen Weg eingeschlagen hatten. Vermutlich handelte es sich um Elitesoldaten. Ich

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