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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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perlte auf seinem Nacken. Er schaute stirnrunzelnd zu jemandem hinunter, der am Fuß der Leiter stand. »Ich weiß, du könntest es selber tun, vielen Dank. Ich weiß auch, dass ich schon genug Sorgen habe, ohne befürchten zu müssen, dass ihr beide hier herunterfallt.«
    An irgendeinem Punkt keuchte ich vor Anstrengung und wurde mir wieder meines eigenen Körpers bewusst. Nein, noch nicht. Erst sollte Burrich mich am Leben wissen. Daraufhin gelang es mir zwar, ihn wiederzufinden, doch ich sah ihn nur noch wie durch einen Nebel. »Burrich!«, rief ich ihm zu. »Burrich, ich bin es, Fitz!« Aber sein Bewusstsein blieb mir verschlossen, und ich erhaschte nicht einmal einen kurzen Blick auf seine Gedanken. Ich verfluchte meine launische Gabe und griff erneut aus in die wabernden Nebelschwaden.
    Veritas stand mit über der Brust verschränkten Armen vor mir und schüttelte den Kopf. Seine Stimme war nicht lauter als das Flüstern des Windes, und er bewegte sich kaum, so dass ich ihn kaum wahrzunehmen vermochte; dabei spürte ich, wie viel Kraft er aufwendete, um mich zu erreichen. »Tu das nicht, Junge«, warnte er mich ernst. »Du wirst dir nur schaden.« Unvermittelt befand ich mich an einem anderen Ort. Veritas lehnte mit dem Rücken an einem riesigen schwarzen Felsblock, sein Gesicht war von Müdigkeit gezeichnet. Er rieb sich die Schläfen, als hätte er Kopfschmerzen. »Auch ich benehme mich unvernünftig, aber manchmal sehne ich mich so... - Lassen wir das. Ich will dir etwas sagen. Es gibt Dinge, die man besser nicht weiß, und gerade jetzt ist es zu gefährlich, von der Gabe Gebrauch zu machen. Wenn ich dich spüren und finden kann, können es andere auch. Er wird vor nichts zurückschrecken, um dich zu treffen. Hüte dich, seine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Er hätte keine Skrupel, sie als Geisel zu nehmen. Gib sie auf, um sie zu schützen.« Er schien stärker zu werden. Ein bitteres Lächeln ging über sein Gesicht. »Ich weiß, was das bedeutet - jemanden aufgeben, um ihn zu schützen. Auch dein Vater hat es gewusst. Du besitzt die nötige Stärke. Lass alles hinter dir, Junge. Komm zu mir. Wenn du es immer noch willst. Komm zu mir, und ich werde dir zeigen, was möglich ist.«
    Ich erwachte um die Mittagszeit. Von der prallen Sonne, die mir ins Gesicht geschienen hatte, tat mir der Kopf weh, und ich fühlte mich ein wenig zittrig. Ich machte ein kleines Feuer, um mir einen Tee aus Elfenrinde zu brühen. Mein Vorrat daran schwand besorgniserregend dahin, also hieß es, mit dem Rest sparsam umzugehen. Denn vielleicht würde ich nach dem Zusammentreffen mit Edels Zirkel noch etwas davon zur Stärkung brauchen. Nun, was für eine Hoffnung! Nachtauge beobachtete mich eine Weile blinzelnd, dann döste er wieder ein. Ich schlürfte meinen bitteren, mit Nesseln gestreckten Tee und schaute in die Ferne. Mein bizarrer Traum hatte meine Sehnsucht geweckt, Sehnsucht nach einem Zuhause, nach Menschen, die mich liebten. All das hatte ich hinter mir gelassen. Gut, vielleicht nicht alles. Ich setzte mich neben Nachtauge und legte eine Hand auf seine Schulter. Bei meiner Berührung zuckte es an mehreren Stellen seines Felles auf. Schlaf endlich, forderte er mich mürrisch auf.
    Du bist alles, was ich habe, schüttete ich ihm mein Herz aus.
    Er gähnte lange und herzhaft. Und ich bin alles, was du brauchst. Jetzt schlaf! Schlafen ist eine ernsthafte Beschäftigung . Ich lächelte und streckte mich neben meinem Wolf aus. Er verströmte vollkommene Zufriedenheit - zu einem guten Mahl gehörte einfach ein Nickerchen in der warmen Mittagssonne. Er hatte Recht: Es war tatsächlich eine ernste und lohnenswerte Beschäftigung. Ich schloss die Augen ohne weitere Träume und schlief bis zum Abend.
    In den folgenden Tagen und Nächten änderte die Landschaft ihr Gesicht - lichter Mischwald wechselte sich ab mit grasbewachsenen Ebenen. Städte lagen inmitten von Obsthainen und Kornfeldern. Vor Jahren war ich schon einmal durch Farrow gereist, damals mit einer Hochzeitskarawane, und wir hatten den für uns kürzesten Weg quer durchs Land genommen, anstatt dem Fluss zu folgen. Ich war ein selbstbewusster junger Assassine gewesen, der sich auf dem Weg zu einem von der Staatsräson diktierten Auftragsmord befand. Auf jener Reise hatte ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit Edels Heimtücke gemacht und diese Erfahrung dann um ein Haar nicht überlebt. Nun war ich wieder in Farrow unterwegs, um am Ende meiner Reise einen Mord zu begehen.

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