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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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auszusaugen, wie Justin und Serene es damals bei König Listenreich getan hatten. Wahrscheinlich war mit einem solchen Diebstahl der Macht eine gewisse obszöne Ekstase verbunden, und wie ich Will kannte, wünschte er, sich ihr ganz allein und ungestört hingeben zu können. Zweitens war ich mir ziemlich sicher, dass er nach mir suchen würde, um mich aufzuspüren und aus meinem Versteck zu scheuchen. Er wusste, dass ich Angst vor ihm hatte. Bestimmt rechnete er nicht damit, dass ich auf dem Weg in die Höhle des Löwen war, fest entschlossen, nicht nur ihn und den Zirkel auszutilgen, sondern auch Edel. Mein Gewaltmarsch nach Fierant war nach den Gesetzen der Logik genau das Richtige, um unentdeckt zu bleiben.
    Im Gegensatz zu den rauen Gegenden des Herzogtums Bock gilt Farrow als die Provinz der offenen Landschaften. Schon der erste Morgen vermittelte uns den Eindruck, in der Fremde zu sein; statt durch dichten und dunklen Wald wanderten wir durch lichte Birkenhaine. Als Ruheplatz für den Tag lockte dann ein Wäldchen auf einem sanften Hügel über weiten Wiesen. Zum ersten Mal seit dem Kampf mit den Entfremdeten zog ich das Hemd aus und untersuchte meine von dem Keulenhieb lädierte Schulter bei Tageslicht. Sie war schwarz und blau und tat weh, wenn ich versuchte, den Arm über den Kopf zu heben. Das war aber alles. Nur eine Bagatelle. Noch vor drei Jahren wäre es in meinen Augen eine ernsthafte Verletzung gewesen; ich hätte die Schulter mit Wasser gekühlt und eine Kräuterkompresse aufgelegt, um den Bluterguss schneller abheilen zu lassen. Heute aber, selbst wenn es gefährlich aussah und bei jeder Bewegung schmerzte, war es für mich nichts weiter als eine Prellung, die irgendwann verschwunden sein würde. Mit einem schiefen Lächeln zog ich das Hemd wieder an.
    Nachtauge ließ meine ärztlichen Bemühungen nur widerwillig über sich ergehen. Der Schnitt an seiner Schulter begann sich zu schließen, sah aber nicht so gut aus, wie mir lieb gewesen wäre. Als ich die Haare von den Wundrändern löste, wandte Nachtauge plötzlich den Kopf und nahm mein Handgelenk zwischen die Zähne. Nicht grob, aber entschieden.
    Lass das. Sie wird heilen.
    Es ist Schmutz drin.
    Er beschnupperte und beleckte das geschwollene Fleisch. Nicht sehr viel.
    Ich will mir das ansehen.
    Du siehst nicht an, du stocherst.
    Dann halt eben still und lass mich stochern.
    Er fügte sich mit einem Knurren. Ich musste den einen oder anderen Grashalm an der Wunde herauszupfen, und mehr als einmal schnappte Nachtauge wieder nach meiner Hand. Schließlich knurrte er auf eine Art, die mir sagte, dass es mit seiner Geduld ein Ende hatte. Ich war noch nicht zufrieden, musste aber froh sein, dass er mich noch etwas von Burrichs Salbe auftragen ließ.
    Du machst viel zu viel Aufhebens um solche Dinge, gab er mir gereizt zu verstehen.
    Ich mag es nicht, wenn du meinetwegen zu Schaden kommst. Es ist nicht richtig. Dies ist kein Leben für einen Wolf. Du solltest nicht alleine sein und von einem Ort zum anderen wandern. Du solltest ein Revier haben, mit einem Rudel jagen, vielleicht irgendwann eine Gefährtin nehmen.
    Menschenart! Menschenart, dieses ›vielleicht‹ und ›irgendwann‹. Du kannst das Fleisch nicht essen, bis du das Wild geschlagen hast. Außerdem, ich bin nicht allein. Wir sind zusammen.
    Das stimmt. Wir sind zusammen. Und damit legte ich mich neben Nachtauge zum Schlafen nieder.
    Dabei dachte ich wieder an Molly. Resolut verbannte ich sie aus meinen Gedanken und bemühte mich einzuschlafen - aber vergeblich. Ruhelos warf ich mich hin und her, bis Nachtauge brummend aufstand, ein Stück beiseite ging und sich dort wieder niederlegte. Ich setzte mich hin und schaute in ein bewaldetes Tal hinunter. Ich wusste, ich stand dicht davor, etwas Dummes und Unüberlegtes zu tun. Nicht darüber nachdenken. Ich holte tief Atem, schloss die Augen und griff hinaus nach Molly.
    Ich hatte gefürchtet, sie in den Armen eines anderen Mannes zu sehen. Ich hatte gefürchtet, sie mit Abscheu von mir sprechen zu hören. Doch viel schlimmer: Ich vermochte sie überhaupt nicht zu finden, da war nicht einmal eine Ahnung von ihr. Wieder und wieder sammelte ich meine Gedanken, bündelte meine Willenskräfte und griff suchend nach ihr hinaus. Dann wurde ich endlich mit einer Vision von Burrich belohnt, der damit beschäftigt war, das Dach einer Hütte zu decken. Seinem bloßen Oberkörper hatte die Sommersonne das Braun von poliertem Holz verliehen. Schweiß

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