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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hätte, wenn ich nicht jeden Tag da gewesen wäre, um Nachttöpfe auszuleeren, zu fegen, Staub zu wischen, Geschirr hinauszutragen, ihm Haar und Bart zu kämmen …«
    Wieder hatte er mir den Wind aus den Segeln genommen. Ich ließ mich schwer auf meine Kleidertruhe fallen. »Er ist nicht mehr der König, an den ich mich erinnere«, sagte ich kläglich. »Es macht mir Angst, wie schnell und wie weit sein Verfall fortgeschritten ist.«
    »Macht dir Angst? Es ist einfach entsetzlich! Wenigstens hast du einen anderen König, wenn dieser hier ausgespielt ist.« Der Narr warf eine weitere Rolle auf den Stapel.
    »Wir alle haben dann einen neuen König.«
    »Manche mehr, manche weniger.«
    Unwillkürlich griff ich an meinen Kragen und tastete nach der Nadel. Um ein Haar hätte ich sie heute verloren. Ich musste daran denken, was sie während all dieser Jahre symbolisiert hatte. Den Schutz des Königs für einen illegitimen Enkelsohn, den ein Mann mit weniger Skrupeln unauffällig aus dem Weg geräumt hätte. Und nun, da er des Schutzes bedurfte? Was bedeutete sie mir nun?
    »Was sollen wir tun?«
    »Du und ich? Herzlich wenig. Ich bin nur ein Narr, und du bist ein Bastard.«
    Ich nickte bedrückt. »Chade müsste hier sein. Wenn ich nur wüsste, wann er zurückkommt.« Aus den Augenwinkeln beobachtete ich den Narren. Ob er es wusste?
    »Chade? Schade ist, dass es für unseren König wahrscheinlich zu spät sein wird.«
    »Dann sind wir machtlos?«
    »Du und ich? Niemals. Wir haben zu viel Macht, um handeln zu können, das ist alles. In solchen Fällen sind immer die Machtlosen am mächtigsten. Vielleicht hast du Recht, sie sind es, an die wir uns um Rat wenden sollten. Vorerst aber …« Da mit erhob er sich und schüttelte theatralisch die Glieder, als wäre er eine Marionette an verworrenen Schnüren. Sämtliche Schellen an seinem Gewand klingelten. Ich musste unwillkürlich lächeln. »Für meinen König bricht nun die beste Zeit des Tages an. Und ich werde zur Stelle sein, um für ihn zu tun, was ich tun kann.«
    Er trat vorsichtig aus dem Kreis der wohl sortierten Schriftrollen und -tafeln. »Lebwohl, Fitz.«
    »Lebwohl.«
    An der Tür zögerte er kurz. »Du hast nichts dagegen, dass ich gehe?«
    »Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich anfangs Einwände dagegen, dass du bleibst.«
    »Lass dich nicht auf Wortgefechte mit einem Narren ein. Aber hast du vergessen? Ich habe dir einen Tauschhandel angeboten. Ein Geheimnis gegen ein anderes Geheimnis.«
    Ich hatte es nicht vergessen, aber plötzlich war ich nicht mehr so sicher, ob ich davon wirklich etwas wissen wollte. »Woher kommt der Narr und warum?«, fragte ich leise.
    »Ah.« Er wartete einen Moment, dann fragte er ernst: »Bist du sicher, dass du die Antworten auf diese Fragen hören willst?«
    »Woher kommt der Narr und warum?«, wiederholte ich sanft. Er ließ sich Zeit mit der Erwiderung. Während ich ihn wartend anschaute, sah ich ihn zum ersten Mal seit langem nicht als den scharfzüngigen und schlagfertig witzigen Narren, sondern als kleines, schmales Geschöpf, das unter seiner bleichen Haut kaum Fleisch und Knochen hatte. Selbst sein Haar schien weniger Substanz zu haben als das von anderen Sterblichen. Sein mit silbernen Schellen besetztes schwarz-weißes Narrengewand und sein albernes Rattenzepter waren alles, was ihm zu Gebote stand, um sich an diesem Hof der Intrigen und des Verrats zu behaupten. Und sein Geheimnis. Der unsichtbare Schutzmantel seines Geheimnisses. Einen Augenblick lang wünschte ich mir, er hätte den Tausch nicht angeboten oder dass ich mich weniger vor Neugier verzehrte.
    Er seufzte, ließ den Blick durchs Zimmer schweifen und stellte sich dann vor den Wandteppich, auf dem König Weise einen der Uralten begrüßte. Offenbar entdeckte er in der dargestellten Szene eine Ironie, die sich mir in all den Jahren nicht erschlossen hatte, denn ein bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht. Vor der Kulisse des Wandbehangs wandte er sich mir wieder zu und nahm die Pose eines Dichters ein, der sich anschickt, aus seinen Werken zu rezitieren. Doch zunächst sah er mich noch ein mal forschend an. »Du bist sicher, dass du es wissen willst, Firlefitz?«
    Als wäre es eine Beschwörungsformel, wiederholte ich die Frage: »Woher kommt der Narr und warum?«
    »Woher? Ja, woher?« Nase an Nase ging er mit Rätzel zu Rate und formulierte in Gedanken die Antwort auf seine eigene Frage. »Geh südwärts, Fitz. Zu Ländern jenseits der Ränder aller

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