Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
sich kratzt und leckt, das sich in Aas wälzt, das beim Geruch eines läufigen Weibchens außer sich gerät und nie weiter denkt als bis zu seiner nächsten Mahlzeit? Und du meinst, du würdest nicht davon angesteckt werden? Und was, wenn das tatsächlich geschieht, was bist du dann?«
»Ein Soldat?«
Trotz des Ernstes unserer Lage stieß Burrich ein schnaubendes Lachen aus. »Ich meinte es ernst«, sagte er dann.
»Ich meine es auch ernst, was den König und die Königin angeht. In Burg Fierant hätte Edel sie völlig in seiner Gewalt; das darf nicht geschehen, und mir ist es gleich, was ich alles tun muss, um es zu verhindern.«
Er schwieg für einen Moment. »Also soll ich - wie auch immer - vier Reittiere und eine Sänfte aus der Burg hinausschmuggeln, ohne Aufmerksamkeit zu erregen?«
Ich nickte im Dunkeln. »Ist es möglich?«
Verdrossen meinte er: »Es sind noch ein oder zwei Knechte da, auf die man sich verlassen kann, aber das ist kein Gefallen, um den man gerne bittet. Ich möchte niemanden für etwas am Galgen baumeln sehen, das er nur für mich getan hat. Was die Pferde angeht, man könnte es so aussehen lassen, als gehörten sie zu einer Koppel, die flussaufwärts getrieben wird. Aber meine Burschen sind nicht dumm, ich dulde keine Dummköpfe in meinem Stall. Wenn bekannt wird, dass der König verschwunden ist, werden sie sich schnell einen Reim auf alles machen können.«
»Such dir einen aus, der den König liebt.«
Burrich seufzte. »Dann der Proviant. Es wird keine üppigen Rationen geben, nur Marschverpflegung eben. Muss ich auch Winterkleidung beschaffen?«
»Nein. Nur für dich selbst. Kettricken kann anziehen und einpacken, was sie braucht, und Chade wird sich um die Bedürfnisse des Königs kümmern.«
»Chade. Der Name kommt mir Bekannt vor, als hätte ich ihn irgendwann schon einmal gehört.«
»Man hatte angenommen, dass er schon vor langer Zeit verstorben ist. Früher hat er bei Hofe verkehrt.«
»Um all diese vielen Jahre in einem Schattenreich zu leben«, staunte er.
»Und er hat vor, weiter im Schatten zu bleiben.«
»Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich ihn verrate.« Burrich hörte sich dabei gekränkt an.
»Ich weiß. Ich bin nur so …«
»Ich weiß. Lassen wir’s gut sein. Du hast mir alles gesagt, was nötig ist, damit ich meine Aufgabe erfüllen kann. Ich werde mit Pferden und Proviant zur Stelle sein. Zu welcher Zeit soll ich mich bereithalten?«
»Irgendwann nachts, wenn das Fest noch in vollem Gange ist. Ich weiß noch nicht. Ich werde dir ein Zeichen geben.«
Er zuckte die Schultern. »Sobald es dunkel wird, gehe ich hinaus und warte.«
»Burrich, ich danke dir.«
»Er ist mein König. Sie ist meine Königin. Ich brauche keinen Dank von dir, um meine Pflicht zu tun.«
Ich verließ Burrich, um zu meiner zweiten Verabredung zu eilen. Auf dem Weg durch den Stall hielt ich mich im Dunkeln und schärfte alle meine Sinne, um wirklich sicherzugehen, dass niemand mir folgte. Draußen huschte ich von Speicher zu Pferch zu Koppel, bis ich die alte Kate erreichte. Nachtauge kam mir hechelnd entgegen. Was ist? Weshalb rufst du mich von der Jagd zurück?
Morgen Abend, wenn es dunkel wird. Möglicherweise brauche ich dich. Würdest du hier in der Burg bleiben, um zur Stelle zu sein, wenn es soweit ist?
Natürlich. Aber weshalb hast du mich deshalb gerufen? Du brauchst mir nicht so nahe zu sein, um mich um einen einfachen Gefallen zu bitten.
Ich kniete mich hin. Er kam zu mir und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Ich drückte ihn fest an mich.
Dummes Zeug, ließ er mich mit gutmütiger Schroffheit wissen. Geh jetzt. Ich werde hier sein, wenn du mich brauchst.
Meinen Dank.
Mein Bruder.
So schnell und doch so vorsichtig wie möglich, kehrte ich in die Burg und in mein Zimmer zurück. Ich verriegelte die Tür und legte mich auf mein Bett. Doch erst wenn alles vorbei und die Flucht gelungen war, würde ich wieder zur Ruhe kommen.
Am späten Vormittag wurde ich zur Königin vorgelassen. Ich hatte eine Anzahl Schriften über Kräuter mitgebracht. Kettricken lag wieder auf der gepolsterten Ruhebank vor dem Kamin und spielte sowohl die trauernde Witwe als auch die ängstliche Mutter. Ich konnte sehen, dass sie darunter litt und dass sie bei dem Sturz mehr Schaden genommen hatte, als sie zugeben wollte. Sie sah kaum besser aus als am Abend vorher, aber ich begrüßte sie wärmstens und machte mich da ran, ihr die Liste der Kräuter vorzulesen, eins nach dem
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