FKK im Streichelzoo - Roman
dürfte die Sache dann in wenigen Tagen vom Tisch sein.«
Damit ist anscheinend alles gesagt. Zielstrebig geleitet sie mich zur Tür. Wieder nehme ich die Erdbeermilchwolke wahr, die sie umgibt.
Doktor May ist absolut betörend. Ich will noch nicht gehen! Ich will hier bei ihr bleiben. Am liebsten für immer. Durch meinen Kopf jagen alle möglichen Krankheitsbilder und Symptome, die ich erfinden könnte, um noch ein bisschen ihre Gesellschaft genießen zu dürfen.
Ihre Hand liegt bereits auf der Klinke.
Ich könnte ihr von meinem Blinddarmdurchbruch erzählen, den ich mit acht Jahren mal hatte. Oder von der schlimmen Pubertätsakne meiner Jugend. Vielleicht interessiert sie sich ja auch für die kleine Rotgrünschwäche? Ich hab mal gehört, Frauen mögen Männer mit Makeln.
»Also dann …« Sie lächelt souverän, sagt aber nichts weiter. In Gedanken ist sie wahrscheinlich schon bei der nächsten Prostataabtastung. Leider nicht bei meiner.
»Sie sind also Urologin.«
In Gedanken schlage ich meinen Kopf gegen den hölzernen Türrahmen. Sehr fest. Mann, Quentin, geht’s noch dämlicher?!
Sie scheint Ähnliches zu denken, zumindest sagt genau das ihr Gesichtsausdruck aus.
»Wollen Sie mit Herrn Ziller eine Gemeinschaftspraxis gründen?«, schiebe ich schnell hinterher.
»Nein.« Sie zieht die Tür auf.
Ich zögere einen Moment, will ihr noch die Möglichkeit zu einer weiteren Ausführung geben.
Doch sie bleibt bei ihrer Antwort.
Memo an mich: Keine geschlossenen Fragen mehr stellen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können.
»Oh, das heißt, Sie sind nicht für immer hier?«
»Nein.«
Erneute Memo an mich: Vollidiot!
Irgendwie fällt mir jetzt nichts Geistreiches mehr ein. Nicht, dass das, was ich bisher von mir gegeben habe, gehaltvoller als Diätjoghurt mit null Kalorien gewesen wäre.
Da stehen wir uns also schweigend gegenüber und blicken uns in die Augen. Das heißt, zumindest ich blicke ihr in die Augen. Sie schaut ein paar Grad an mir vorbei.
Ich grinse sie verschmitzt an. Und sie lächelt sogar zurück. Ein flüchtiges, aber ein freundliches Lächeln. Kompetent. Professionell. Fachkundig. Immerhin.
Verdammt, sie muss doch spüren, dass hier der berühmte Funke übergesprungen ist! Doch es gibt nichts mehr, was ich tun kann; jedes weitere Zögern würde die fragile Beziehung zwischen uns beiden zerstören.
»Danke.«
»Ist mein Job.«
»Klar, Sie sind ja …«
»Urologin. Genau. Ich müsste dann wirklich wieder …«
»Natürlich.« Ich gehe einen Schritt auf die Tür zu und mustere Doktor Cassandra May noch einmal kurz von der Seite. Tatsächlich, sie sieht mich an. Ich lege alles in diesen einen Blick, als ich sage: »Tja, dann wün-sche ich Ih-nen noch ei-nen schö-nen Tag.« Jede einzelne Silbe ziehe ich dabei unnötig in die Länge, als hätte ich irgendeine Sprachbehinderung oder würde Deutsch nur als Fremdsprache lernen. »Viel-leicht sieht man sich ja mal wie-der.«
Wortlos hält sie mir die Tür auf. Aber sie lächelt noch immer. Kompetent. Professionell. Fachkundig. Nicht: mitleidig. Das werte ich als Teilerfolg.
»Auf Wiedersehen«, sagt sie.
Sie hat nicht gesagt: Auf Nimmer wiedersehen. Yes!
»Adieu«, sage ich und werde mir im selben Moment bewusst, wie bescheuert das klingt, wenn man nicht wenigstens aus Frankreich kommt.
Dann kann ich nur noch zusehen, wie die Tür ins Schloss fällt. Sie macht ein schnappendes Geräusch, das etwas sehr Endgültiges an sich hat.
Beim Verlassen der Praxis gebe ich mir eine fiktive Ohrfeige, die sich gewaschen hat. Adieu … Gott, wie bescheuert!
Meine Laune sinkt wieder mal in den Keller.
Aber wenigstens kann ich so mit der richtigen Grundstimmung bei meinem Agenten auflaufen.
8
Vor der Begattung überreicht das Listspinnenmännchen der Dame einen großen Beutekokon als Brautgeschenk. Bis das Weibchen das Knäuel entknotet hat und zum leckeren Inhalt vorgedrungen ist, ist das Männchen mit der Besamung längst fertig und macht sich aus dem Staub. Listige Männchen überreichen sogar eine Mogelpackung ohne Inhalt.
»Hallo?«, rufe ich in den schmalen Flur hinein, als ich dank Tabletten und Salbe halbwegs schmerzbefreit bei Jean ankomme. »Jemand zu Hause?«
Keine Antwort.
»Hallo-ho? Jean?«
Ein Räuspern dringt aus dem Spalt der angelehnten Bürotür, dicht gefolgt von einem tiefen schleimigen Husten.
»Quentin, bist du’s?«
Ehe ich antworten kann, fordert mich eine heisere Stimme auf einzutreten.
Als ich
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