FKK im Streichelzoo - Roman
brenzligen Situationen liefern, mit kosmischen Zusammenstößen, Toten und viel Raum für Patriotismus – jede Menge Patriotismus. Und was kriege ich vonIhnen? Einen diffusen Schmarrn ohne Logik und das geringste Gefühl für die physikalischen Gesetzmäßigkeiten!«
»Das verstehe ich nicht«, gestehe ich.
»Eben!«, kommt die Antwort prompt aus dem Telefon. »Sie verstehen es nicht! Das ist ja Ihr Problem! Noch einmal: Im Weltraum können keine Flammen züngeln, da es keinen Sauerstoff gibt! Explosionen sind nicht möglich, schon gar nicht mit lautem Knall – wie oft muss ich Ihnen das noch sagen, Herr Bachmann?!«
»Aber es ist doch nur Unterhaltungsliteratur«, verteidige ich mich zaghaft. »Wir schreiben doch keine wissenschaftliche Abhandlung. Mein Ziel ist es, die Leser zu unterhalten, nicht …«
»Und erst die Sache mit der Schwerkraft!«
»Was denn für eine Sache?«
»Auf den Raumschiffen der Terraflotte herrscht Zero Gravity, alles andere ist unmöglich! Das war bei Band eins so und ist auch bei der aktuellen Ausgabe Band Nummer 1991 nicht anders. Nicht mal für Sie, Herr Bachmann, haben Sie mich verstanden?! Keine Schwerkraft auf Raumschiffen! Die Jupiter II ist nicht die Enterprise.«
»Aber das weiß ich doch und habe …«
»Was haben Sie?! Nicht aufgepasst haben Sie, als ich es Ihnen beim letzten Mal erklärt habe! Vermutlich genau wie im Physikunterricht von der fünften Klasse bis zum Abitur!«, fällt er mir ins Wort. »Auf Ihren Raumschiffen wird Squash gespielt, Herr Bachmann. Squash!«
»Ist doch ein toller Sport«, füge ich kleinlaut hinzu.
»Und die Weltraumschlachten …«
»Ja«, stoppe ich ihn genervt. Gut, dass er nicht sehen kann, wie ich die Augen verdrehe. »Zu wenig Crash, Boom, Bang, richtig?« Dabei wissen wir beide genau, dass das nicht meine Stärke ist: actiongeladene Kampfszenen. Mir liegen eher die zwischenmenschlichen beziehungsweise: zwischenwesenartigenSzenen. Kosmische Intrigen über die Grenzen der Galaxis hinweg. Vater-Sohn-Beziehungen, die zugunsten des interstellaren Throns geopfert werden müssen. Eine heimliche Liebe zwischen den Rassen … Das ist meine Kragenweite!
»Wenn es doch nur das wäre.« Ich höre ihn schnauben. »Ist es aber leider nicht. Raumschiffe treffen sich in Ihren Szenarien stets auf Augenhöhe, aber es gibt ein Oben und Unten in den Unendlichkeiten des Alls. Der Weltraum ist keine Scheibe, Herr Bachmann!«
Er räuspert sich und scheint an einem Getränk zu nippen. Ich nutze die Stille, um über seine Worte nachzudenken.
»Was haben Sie sich dabei bloß gedacht?«
In der Annahme, es handele sich hierbei um eine rhetorische Frage, antworte ich nicht direkt.
»He?«, schnappte es aus dem Hörer.
»Ich, ähm … eigentlich bin ich der Meinung, dass …«
»Das ist mir scheißegal, ob Sie eine Meinung haben oder nicht! Was soll ich denn jetzt mit dem Schund anstellen? Das passt doch überhaupt nicht in das Konzept von Jerry Lightning. Ich meine – verfluchter Mist! –, da passt ja überhaupt nichts ins Konzept. Eine Katastrophe ist das! Hören Sie, eine Katastrophe!«
Seit zwei Jahren schreibe ich nun für diese Serie, die mir so viel bedeutet , und der Exposé-Autor lässt keine Gelegenheit aus, meine Manuskripte mieszumachen. Diesmal aber erreichen seine Meckertiraden ein neues Niveau, und ich bin nicht länger gewillt, das so hinzunehmen.
»Was sagt denn der Chefredakteur dazu?«, will ich wissen.
Ich höre Doktor Bellinghausen Luft holen. Die plötzlich eintretende Stille behagt mir nicht. Sie hat etwas von der viel besungenen Ruhe vor dem Sturm.
»Das ist der eigentliche Grund, warum ich Sie anrufe, Herr Bachmann«, weht es los. »Herr Ratinger arbeitet nicht mehr für Jerry Lightning, er ist in den Vorruhestand gegangen.«
Das ist nicht gut. Bislang war der Chefredakteur ein Fürsprecher meiner Werke. Aber das, was ich für die schlechteste Schlagzeile des Tages hielt, war nur ein lächerlicher Vorgeschmack auf den finalen Todesstoß, den mir Herr Doktor Eckard N. Bellinghausen kurz darauf verpasst: » Ich bin jetzt der neue Chefredakteur, Herr Bachmann. Fortan erleben Sie mich in einer Doppelfunktion.«
Ich atme tief ein und vergesse das Ausatmen.
»Freuen Sie sich«, fordert er mich auf.
Ich freue mich nicht.
»Künftig wird sich der bürokratische Verlauf um ein Vielfaches vereinfachen. Nun gibt es nur noch einen Ansprechpartner für Sie, mit dem Sie sich auseinandersetzen müssen. Freuen Sie
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