FKK im Streichelzoo - Roman
warte, werde ich mich gar nicht mehr hineintrauen, weil dann die Austern, die immer noch auf der Anrichte vor sich hin stinken, die Küchenvorherrschaft an sich gerissen haben werden.
Es ist eine prekäre Situation, in der ich mich befinde.
Ich fühle mich einsam und ebenso leer wie diese Wohnung. Wäre doch mein unterernährter Freund mit dem dünnen Haar hier, dem ich mein Leid klagen könnte! Das ist doch das eigentlich Schöne an Mitbewohnern: Sie können nicht vor dir weglaufen.
Aber Nils ist nicht da. Vermutlich hat er Flughafenschicht oder besorgt sich ein Reparaturset für Amanda. Ohnehin hater jetzt Besseres zu tun, als sich mit mir abzugeben. Vielleicht feilt er just in diesem Moment mit meinem Agenten an unserer Karriere. Oh, wie großartig wir das finden!
Ich schüttele den Gedanken ab. Ich muss aufhören mit der Selbstzerfleischung und mich endlich dem Abschlussband widmen. Ich schließe die Augen und betrete wieder den weißen Raum, der mit meiner Geschichte gefüllt werden will. Eine arktische Kälte hat Einzug ins Wohnzimmer gehalten – mitten im Frühling. Das Gefühl der Einsamkeit macht sich in mir breit. Ich bin allein. Mehr denn je.
Meine Gedanken rotieren und nehmen unheilvolle Wege. Unangenehme Fragen über den Sinn des Lebens im Allgemeinen und meines eigenen im Speziellen manifestieren sich unter meiner Schädeldecke. Dagegen muss ich etwas tun! Ich brauche wirklich dringend jemanden zum Reden.
Eingewickelt in mein Tigerfell schleppe ich mich zur Garderobe und wühle in meiner Jeansjacke. Auf Anhieb erwische ich die richtige Tasche. Die mit Melanies Visitenkarte. Aus der Innentasche ziehe ich das Handy hervor und wähle ihre Nummer.
Eigentlich will ich den Coolen und Souveränen spielen. Doch bereits als ich das Tuten höre, öffnen sich bei mir alle Schleusen. Als Melanie nach wenigen Sekunden abhebt und sich mit einem neugierigen »Ja, hallo?!« meldet, keuche ich asthmatisch auf. Und bevor ich auch nur irgendetwas sagen kann, schluchze ich hemmungslos ins Telefon.
»Quentin?«, fragt Melanie nach einer Weile. »Bist du das?«
Kurz bin ich überrascht darüber, dass sie mich am Weinen erkennt. Wozu eine Extremsituation wie ein abstürzender Aufzug nicht alles gut sein kann. Wieder werde ich das Gefühl nicht los, dass dieses Erlebnis uns auf sonderbare Weise miteinander verbindet.
»Ich habe es verbockt«, schluchze ich.
»Was hast du verbockt?« Ich höre sie tief einatmen. »Jetztberuhige dich doch erst mal, und dann erzählst du in Ruhe, was passiert ist.«
Sich in meinem Zustand zu beruhigen ist gar nicht so leicht. Ich brauche mehrere Anläufe, um Herr über den Heulanfall zu werden. Schließlich, nach einer halben Packung Taschentücher und einem Meer aus Tränen, die die Kirschholzdielen des Flurs bedrohlich eingenässt haben, geht es wieder. Haarklein erzähle ich Melanie von meinem verkorksten Date mit Cassandra. Sie hört aufmerksam zu und gibt an den richtigen Stellen mitfühlende »Ahs« und »Ohs« von sich.
»Und dann ist sie gegangen, hat mich einfach so stehen lassen. Alles ist verloren, habe ich recht?« Versehentlich schnäuze ich derart laut in den Hörer, dass es eine böse Rückkopplung gibt.
»Unsinn, nichts ist verloren, zumindest noch nicht ganz.«
Es ist beinahe so, als würde ich sie durch den Hörer denken hören können, dann fragt sie: »Ihr hattet also keinen Sex?«
»Nein.«
»Dann ist’s ja gut.« Ihre erleichtert klingende Stimme schält sich durch das perforierte Gehäuse. »Dann ist in der Tat noch nicht alles verloren.«
»Du hast mir aber schon zugehört, ja? Ich habe keinen hochgekriegt ! Obwohl sie vor meinen Augen eine Banane auf die wohl anzüglichste Art gegessen hat, wie es eine Frau wohl je getan hat. Was soll denn da noch zu retten sein?«
»Das zeigt doch nur, dass du kein hirnloser Primat bist, der nur Sex im Kopf hat. Freu dich, das macht dich tiefgründig!«
Ich horche tief in mich hinein. Nein, Freude ist da nicht.
»Wenn du meinst«, sage ich resigniert und eher, um Melanie ob ihrer Bemühungen nicht zu enttäuschen.
»Du musst jetzt alles auf eine Karte setzen und ihr klarmachen, dass sie dir wirklich etwas bedeutet.«
»Aber das tut sie doch!«
»Dann zeig es ihr.«
»Ach, und wie?«
Ich höre sie atmen. Etwas rauscht im Hintergrund. Hat Melanie etwa mit mir auf dem Klo gesessen?!
»Frauen mögen symbolische Sachen«, sagt sie über das Rauschen hinweg. »Du musst sie mit einer Aktion komplett aus den Socken
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