Flaming Bess 03 - Gefangene der Schatten-Welten
umkehren.«
»Sei nicht albern«, unterbrach Flaming Bess. »Die Station ist verlassen. Die einzige Gefahr droht uns von deiner spitzen Zunge.«
»Wenn du meine Zunge näher kennen würdest … «
»Was sagt Vira dazu?« fragte Bess.
Er hustete. »Sie sagt, daß der Mensch nur eine Zunge hat und man deshalb sehr, sehr vorsichtig damit umgehen soll.«
»Ein kluges Mädchen. Ich melde mich wieder, wenn wir am Turm angelangt sind.«
Sie beendete das Gespräch und folgte dem Clansmann, der inzwischen den schmalen Streifen Ödland zwischen dem äußeren und dem inneren Gebäudering betreten hatte.
Als sie einen der wuchtigen Metallquader berührte, spürte sie … nichts — kein Vibrieren, nicht die leiseste Erschütterung. Wenn sich hinter den stählernen Wänden Maschinen verbargen, so waren sie im Moment nicht in Betrieb.
Neben Ka blieb sie stehen.
Die rote Sonne stand tief am Horizont, und die Geschwindigkeit, mit der die scharf umrissenen Schatten länger wurden, kündigte die Nacht an. Durch das Fehlen einer Atmosphäre würde sie abrupt hereinbrechen; ohne Dämmerung, von einem Augenblick zum anderen.
Bess blickte sich um und spähte durch eine Lücke im Gebäudering zur Fähre zurück.
Sie war bereits in den Schatten verschwunden.
Schatten, dachte Bess, und sie fröstelte.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte Ka in ihre Gedanken hinein.
Er schien ihr Unbehagen zu teilen; auch ihn erinnerten die länger werdenden Schatten an die Herculeaner: An die tausend und abertausend Männer in Schwarz und mit dem gleichen, gnadenlosen Gesicht. An die Klonsoldaten, die aus dem Nichts, aus den Schatten traten und eine Welt nach der anderen überrannten …
Verdammt! Reiß dich zusammen! dachte Bess. Die Herculeaner wissen nicht, daß wir hier sind. Sie können es nicht wissen. »Weiter!« befahl sie .
Die Gebäude des inneren Ringes waren höher und breiter, und das Metall ihrer Wände wirkte heller, aber ansonsten unterschieden sie sich nicht von den fensterlosen Blöcken des Außenrings. Hinter den stählernen Quadern bohrte sich der Turm in den kohlenschwarzen Himmel, vielleicht hundert oder hundertfünfzig Meter hoch, ein dünner Finger, wie zur Mahnung erhoben, völlig glatt, von spiralförmigen und parabolischen Antennenkonstruktionen gekrönt.
Bess’ Blicke wanderten an dem Sendeturm hinauf, und sie suchte zwischen den müde glimmenden Sternen nach dem Lichtpunkt der NOVA STAR.
»Etwas verändert sich«, sagte Ka plötzlich.
Sie ruckte herum.
Der Clansmann hatte das Strahlgewehr angelegt und entsichert; die Mündungen der armdicken Läufe waren wie schwarze Augen, lauernd, ruhelosnach Beute suchend.
Aber es gab keine Beute. Zwischen den Metallblöcken und vor dem Turm war alles so leer wie bisher.
Bess befeuchtete ihre spröden Lippen. Ja, etwas hatte sich verändert. Die herculeanische Station war von ihren Erbauern verlassen, doch ihr Geist war noch immer gegenwärtig, ein schweres Gewicht, substanzlos wie die zunehmenden Schatten und dennoch körperlich spürbar …
Verärgert schüttelte sie die Gedanken ab.
Einbildung, sagte sie sich. Die Nerven. Wir sollten die Untersuchung hinter uns bringen und so schnell wie möglich wieder verschwinden. Uns droht keine Gefahr. Nicht hier, nicht jetzt.
Zögernd ließ Ka das Strahlgewehr wieder sinken.
»Für einen Moment dachte ich …«
»Ja?«
»Nichts«, sagte er schroff. »Nur Erinnerungen.«
Sie sah ihn forschend an, doch die mattierte Scheibe des Helms verbarg sein Gesicht. Erinnerungen? dachte sie. An Clansholm, an die Stille des Todes nach der Raserei der Schlacht? Oder an die Stille in den Kerkern von R’o-Chyn?
Schmerzhaft wurde ihr bewußt, wie fremd ihr der Clansmann geblieben war. Er war zuverlässig, ihr treu ergeben, und seit sie im Tempel von Terminus aus dem äonenlangen Kälteschlaf erwacht war und an seiner Seite gegen die anstürmenden Herculeaner gekämpft hatte, war ihr nie in den Sinn gekommen, an seiner Loyalität zu zweifeln.
Aber gleichzeitig ahnte sie ein dunkles Geheimnis hinter der Maske seines narbigen Gesichts.
Was war auf R’o-Chyn geschehen? Was hatten die Herculeaner mit ihm gemacht?
Sein Gesicht können wir sehen, hatte Lady Gondelor gesagt, aber nicht seine Gedanken.
Natürlich, Gondelor war ihre Gegnerin und bestrebt, Zwietracht zu säen, doch die Lady war nicht die einzige, die Ka mißtraute. Als Ken Katzenstein zu ihr in die Zelle gekommen war — damals, auf Terminus, kurz nach ihrer Verhaftung durch den
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