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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Neunzig-Dollar-die-Stunde-Universitätstunte mit grün-weiß gestreiftem Hemd und einem dieser weißen Rundkragen. Sie kennen den Typ? Ein an die zwei Meter langer Bursche, nur daß er aus Marshmallows besteht. Es kam schließlich soweit, daß ich ihm einige Sachen aus Vietnam erzählte, und da fängt der Kerl doch glatt an, sich über mich lustig zu machen. Und das alles in dem affektierten Ton, den Psychiater anschlagen, wenn sie auf ein Problem keine Antwort haben. Er sagte also: ›Ah ja, so so, wir sind also der große tapfere Krieger, der keine Schwäche wie andere Menschen zeigen kann. Wir sind der Oberhengst, der Über-Macho aus Uncle Sam’s Todesmaschinerie. Und da wollen wir doch auch nicht, daß jemand mitkriegt, daß Tony auch nur ein Mensch ist. Weil das ja so eine große Enttäuschung für die ganze menschliche Rasse wäre.‹
    Dann streckt der Kerl die Beine aus und sieht mir in die Augen, als hätte er mir gerade mit einer Pinzette die Seele aus der Brust gerupft. Da hab ich ihm gesagt: ›Doc, was sind Sie nicht für ein schlauer Junge. Aber es gibt gewisse Dinge, die sagt man einfach nicht zu gewissen Männern, wenn man nicht aus eigener Erfahrung genau weiß, wovon man redet, ich habe so ein Gefühl, daß Sie in dieser Beziehung zu kurz gekommen sind. Und wenn man nicht weiß, wovon man redet, und vor den falschen Leuten das Maul zu weit aufreißt, muß man gewisse Konsequenzen in Kauf nehmen. Was in diesem Fall bedeutet, daß man die Scheiße aus Ihnen rausprügelt.‹«
    Tony setzte sich auf eine an den Strand angeschwemmte Zypresse, die von weißem Moder überzogen war. Im Sand lagen überall Quallen, die die Flut angeschwemmt hatte. Ihre Schirme waren rosa und blau und durchsichtig, die Nesselfäden von einer Schmutzschicht überzogen.
    »Da vergeht ihm dann das Lächeln«, sagte Tony. »Tatsache ist, daß ihm der Mund gummiartig runterfällt, als hätte er gerade aufgehört, an einem Türknauf zu lutschen. Ich sage: ›Nun brechen Sie nicht gleich in Panik aus, Doc. Ich vergreife mich nicht an Tunten. Aber wenn Sie jemals wieder in diesem Ton mit mir reden, oder mit anderen Seelenklempnern auch nur ein Wort über mich wechseln oder irgendwas von dieser Affenscheiße schriftlich festhalten, wird man Sie in Einzelteilen aus dem Lake Pontchartrain fischen.‹«
    Tony atmete den salzigen Wind durch die Nase ein, ließ dann mit der Stiefelspitze eine Qualle platzen, die sich in der Sonne aufgebläht hatte.
    »Tja, das hat Ihr Problem wirklich endgültig gelöst, schätze ich«, sagte ich.
    »Vernehme ich da einen sarkastischen Unterton, Dave?«
    »Nein, ich weiß bloß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Oder was Sie von mir erwarten.«
    »Sagen Sie mir, wie es kommt, daß ich diese Last einfach nicht loswerde.«
    »Ich schaffe es nicht einmal, mit meinen eigenen Problemen zu Rande zu kommen. Ich bin wahrscheinlich nicht der richtige Mann, diese Frage zu beantworten, Tony.«
    »Sie sind sehr wohl der richtige Mann.«
    »Ich glaube, daß Sie Vergebung wollen. Und zwar von jemandem, der wirklich zählt. Der Psychiater zählte nicht, weil er nicht am eigenen Leib erfahren hatte, worum es geht.«
    »Von wem soll diese Vergebung kommen?«
    »Es muß jemand sein, der Ihnen wichtig ist. Gott, ein Priester, jemand, dessen Lebenserfahrung Sie respektieren. Schließlich und letztlich Sie selbst, Tony. Das hätte Ihnen jeder Psychiater gesagt, der sein Geld wert ist.«
    »Ein Kerl wie ich soll zu einem Priester gehen?« Er grinste und scharrte mit dem Stiefelabsatz im Sand. Es war so ruhig, daß ich das Rauschen der Wellen hören konnte, die wieder ins Meer zurückwichen. Dann zog er eine Augenbraue hoch und blickte mich unter der Krempe seines Safarihutes her an. »Hey, jetzt seien Sie nicht beleidigt. Sie haben echt was auf dem Kasten. Sie wissen mehr als jeder Seelenklempner.«
    »Sie übertreiben, Tony.«
    »Nein. Sie sind in Ordnung, Robicheaux.«
    Er nickte bekräftigend mit dem Kopf und betrachtete mich mit einem zusammengekniffenen Auge, als nähme er mich mit einem Zielfernrohr ins Visier.
    »Daß Sie sich da mal nicht täuschen«, sagte ich.
    An diesem Abend aßen Tony, Paul und ich im Eßzimmer von Tonys Haus bei Kerzenlicht zu Abend. Die Mahlzeit bestand aus Pellkartoffeln, grünen Bohnen mit Pilzen und Lammfleisch in einer Orangensoße; der französische Rotwein, den Tony trank, kostete sicherlich fünfzig Dollar die Flasche. Die Tischdecke war aus schwerem irischen Leinen; in der Mitte stand eine

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