Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
einer flachen Sandbank saßen. Tony trug eine weiße Kaschmirjacke, einen Safarihut und Reithosen, die er in seine kniehohen Lederstiefel gesteckt hatte.
Immer wieder leckte er sich im Wind die Lippen. Um die Augen herum war seine Haut straff gespannt wie Pergament.
»Wie sehe ich aus?« fragte er.
»Prächtig.«
»Ich meine, wie sehe ich aus?« Er drehte mir das Gesicht zu und sah mir in die Augen.
»Sie sehen gut aus, Tony.«
»Ich habe jetzt seit zwei Tagen nichts mehr in den Tank gesteckt. Schmetterlinge flattern mir im Kopf rum.«
»Was für ein Tank, Daddy?« sagte Paul.
»Ich versuche auf Diät zu gehen, damit mein Blutdruck wieder heruntergeht. Das ist alles, mein Junge«, sagte Tony.
»Was für Schmetterlinge?« sagte Paul.
»Wenn ich nicht essen kann, was ich will, fliegen die Schmetterlinge um mich rum. Große dunkelrote und gelbe. Und heute sind sie wie wild. Hören Sie sich nur an, wie diese Typen dahinten rumballern. Da fährt man extra zu einem ruhigen Fleckchen auf dem Lande, und die verwandeln es auf der Stelle in Kriegsgebiet.«
»Wer will uns denn was tun, Daddy?« fragte Paul.
»Niemand. Wer hat dir denn das gesagt?«
»Jess. Er hat gesagt, daß ein böser Mann uns was tun will.«
»Jess ist bisweilen nicht der Hellste, mein Junge. Er hat eine blühende Phantasie. Hör nicht auf ihn.« Tony blickte über die Schulter nach hinten zu dem Eichenwäldchen, wo die Männer, die er bezahlte, in Sportkleidung und Schulterhalftern bei den Wagen herumstanden. Seine Augen waren dunkel, und er kratzte mit der Zunge hart hinten an seinen Zähnen. Dann holte er tief Luft durch die Nase.
»Paul und ich haben ein Haus unten in Mexico, stimmt’s, Paul?« sagte er. »Ist nichts Besonderes, dreißig Hektar außerhalb von Guadalajara, aber es gibt einen Fischteich, ein paar Ziegen und Hühner und solche Sachen, stimmt’s, Paul? Schön ruhig ist’s auch. Und dort haben wir unsere Ruhe.«
»Meine Mutter sagt, da gibt es überall Schlangen. Sie will da nicht mehr hin.«
»Was bedeutet, daß es dort kein Einkaufszentrum gibt, wo sie jeden Tag drei- oder vierhundert Dollar ausgeben kann. Sind Sie schon einmal dort unten gewesen, Dave?«
»Nein.«
»Sollte es mal soweit kommen, daß ich ein paar Dinge hier richtig geregelt kriege, will ich vielleicht dort hinziehen. Wenn man dort als Gringo aufkreuzt, muß man zwar erst mal ein paar Leute vor Ort schmieren, aber danach behandeln sie einen ganz ordentlich.«
»Können wir jetzt essen, Dad?«
»Aber sicher doch«, sagte Tony. »Wollen Sie auch etwas essen, Dave?«
»Das ist ein guter Gedanke.«
Im Wind hörte man das flache Ploppen der Pistolenschüsse. Wir sahen zuerst den Rauch, hörten dann den Knall, der über das flachgedrückte Gras zu uns hingetragen wurde.
»Diese Typen und ihre Knarren. Die gehen mir vielleicht auf den Sack«, sagte Tony.
»Du hast gesagt, solche Worte verwendet man nicht, Daddy«, sagte Paul.
Tony lächelte und klappte den Schirm an der Mütze seines Jungen nach oben.
»Da hast du völlig recht. Aber was macht man bei so einem Haufen? Kein einziger von denen hat auch nur einen vernünftigen Gedanken im Kopf.«
Dann drehte sich Tony im Sattel und sah mich mit erhobenem Finger an. Im Licht der schwachen Sonne wirkte sein Gesicht, als sei jegliche Hitze und Festigkeit daraus gewichen. »Ich muß mit Ihnen reden, Mann«, sagte er.
Wir banden unsere Pferde in dem Eichenhain an, und Tony setzte Paul in den Rollstuhl und machte ihm einen Pappteller mit gebratenem Hühnchen und Kartoffelsalat zurecht. Dann nahm er einen halbvollen Karton mit Hühnerteilen, warf ihn mir zu und kletterte über den Stacheldrahtzaun, um an den Strand zu gehen. Ich folgte ihm in den feuchten grauen Sand.
»Da ist was, das macht mir die Hölle heiß«, sagte er. »Ich muß es loswerden, sonst greif ich wieder zur Spritze. Und wenn ich wieder an der Nadel hänge, ist das mein Ende. Da mache ich mir keine Illusionen.«
»Vielleicht ist es Zeit, mal mit jemand anderem darüber zu reden, Tony.«
»Das habe ich bereits getan. Hat gar nichts gebracht. Davon ist es nur schlimmer geworden.«
»Dann klammern Sie sich aus irgendwelchem Grund daran fest.«
»Meinen Sie, ja?« Er hatte ein angebissenes Hühnerbein in der Hand, das er jetzt nach einer Seemöwe warf, die über den Wellen schwebte. Das Wasser war dunkelgrün und voller Seetang. »Dann hören Sie sich das mal an. Ich war bei einem Psychiater, so eine
Weitere Kostenlose Bücher