Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zu, und ich schaltete die Scheibenwischer an.
»Ich versuche nur zu helfen, ob du es jetzt glaubst oder nicht«, sagte er.
»Das weiß ich doch, Clete.«
»Ich gebe dir Rückendeckung, egal, ob ich dafür bezahlt werde oder nicht.«
»Was soll das heißen?« Ich blickte herüber zu ihm. Der Regen warf Lichtmuster auf sein Gesicht.
»Ich hab diese Woche keine Kohle von der DEA bekommen. Ich habe Dautrieve angerufen, und der sagte, sie hätten mich gekippt.«
»Machst du Witze?«
»Hey, reg dich nicht auf. Er hat gesagt, die Entscheidung hätten andere getroffen. Er hatte nichts damit zu tun.«
»Das hätte er mir sagen müssen.«
»Vielleicht hatte er einfach keine Möglichkeit dazu. Scheiß drauf. Schau, hier müssen wir runter. Willkommen in Metairie, der einzigen Stadt der gesamten Vereinigten Staaten, die ein Mitglied des Ku-Klux-Klan und der amerikanischen Nazipartei ins Abgeordnetenhaus gewählt hat. Was für ein deprimierendes Dreckloch! Dieses Kaff legt einem den Gedanken nahe, daß vielleicht die Weißen die Baumwolle pflücken sollten.«
»Ich muß mal ein ernstes Wort mit Minos reden.«
»Da kannst du reden, solange du willst. Du darfst nicht vergessen, daß du es bei den ganzen Ärschen von den Bundesbehörden mit Leuten zu tun hast, deren Denkmuster auf Computerchips vorgestanzt sind. Abgesehen davon riechen sie alle nach Mundwasser. Hast du jemals einem Kerl getraut, der nach Mundwasser roch?«
Sie öffnete die Wohnungstür einen Spalt, ohne die Kette abzuhängen. Sie trug einen kurzärmeligen Frotteebademantel. Ihr rechtes Auge war geschwollen und violett, und in einem Nasenloch war immer noch etwas verkrustetes, getrocknetes Blut. Sie hakte die Kette auf und öffnete die Tür ganz. Überall auf ihren Armen waren gelbe und violette Flecken, wie sie eine Männerfaust hinterläßt. Ich konnte die Mentholsalbe riechen, die sie auf die Haut aufgetragen hatte. Sobald wir uns im Inneren der Wohnung befanden, drückte sie die Tür zu und verschloß sie wieder.
»Ich hatte schon gedacht, Sie würden vielleicht nicht kommen«, sagte sie.
»Warum?« sagte ich.
»Weiß nicht, das hab ich halt gedacht.« Sie sprach vorsichtig, als hätte sie Schmerzen im Mund. »Im Kühlschrank ist Bier und Limonade, wenn Sie Durst haben.«
»Wer war das, Kim?« sagte ich.
»Jimmie Lee Boggs.«
»Wann?«
»Heute morgen. Gleich nachdem ich aufgestanden bin. Ich habe die Tür aufgemacht, um die Zeitung reinzuholen, und da hat er mich ins Gesicht geschlagen, so daß ich wieder zurück in die Wohnung geflogen bin. Noch nie hat mich jemand so geschlagen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß jemand so hart zuschlagen kann.«
Ich hörte an ihrer Stimme, wie erniedrigt sie sich fühlte, sah die Scham in ihrem Gesicht. Ich hatte diesen Ausdruck verletzter Menschenwürde schon viele Male bei den Opfern von Gewalttaten gesehen, und es war nahezu unmöglich, sie davon zu überzeugen, daß sie nichts dafür konnten. Und ich spürte, wie verlegen Clete neben mir war.
»Ich glaube, ich nehme Ihr Angebot mit dem Bier an«, sagte er und ging zum Kühlschrank. »Und dann geh ich mal kurz raus auf den Balkon und rauche eine.«
Er öffnete die gläserne Schiebetür, die auf einen kleinen Balkon führte, auf dem ein Gartengrill stand. Dann schloß er die Tür wieder hinter sich und blickte nach draußen über einen beleuchteten See, in dem haufenweise Unkraut schwamm und auf den jetzt der Regen heftig einschlug.
Sie setzte sich auf die Couch, legte die Hände in den Schoß und senkte den Kopf.
»Warum haben Sie gedacht, ich käme nicht?« fragte ich noch einmal.
»Weil Sie wissen, daß ich ein Spitzel bin.«
»Und weiter?«
Sie wollte mich nicht ansehen. Sie wirkte sehr klein, wie sie da auf der Couch saß. Ich setzte mich neben sie. Sie drehte das Gesicht kurz zu mir, blickte dann wieder weg.
»Und weiter, Kim?«
»Weil Sie wissen, daß ich Sie verraten habe. Ich habe Lieutenant Baxter den Tip mit dem Drogendeal unten in Cocodrie gegeben. Deswegen war Jimmie Lee Boggs hier. Er hat gesagt, daß es einer von uns beiden gewesen sein müsse, der den Cops Bescheid gestoßen hat. Er hat mich durch die ganze Wohnung geprügelt. Dann hat er mir ein Handtuch in den Mund gestopft und das Spülbecken vollaufen lassen und meinen Kopf unter Wasser gehalten, bis ich fast das Bewußtsein verlor. Dazu sagte er die ganze Zeit: ›Zeit zum Gurgeln, Hübsche. Spül dir mal gründlich den Mund aus. Denk an den Kanarienvogel, den ich da
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