Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Darüber sind wir uns doch einig, oder?«
»Ja.«
Ich legte ihr die Hand auf den Unterarm.
»Kim, Sie haben es für Ihren Bruder getan«, sagte ich. »Alles, was Sie getan haben, erforderte großen Mut. Die meisten Menschen sind nicht so tapfer. Für mich sind Sie was ganz Besonderes.«
Sie blickte auf zu mir. Das unverletzte Auge schimmerte schwach.
»Wirklich?« sagte sie.
»Da können Sie drauf wetten. Ich habe wirklich schon gute Partner gehabt, wie Cletus da draußen, aber auf Sie würde ich jederzeit setzen.«
Sie lächelte, und ihre freie Hand berührte die Rückseite meiner Finger.
Es regnete immer noch, als wir das Apartmenthaus verließen und wieder in meinen Pick-up stiegen.
»Dein Gesicht sieht aus wie eine Gewitterfront«, sagte Clete.
»Nate Baxter«, sagte ich.
»Sie hat für ihn gearbeitet?«
»Yep.«
»Er ist genau der Typ, vor dem Mütter ihre Töchter warnen. Ich hatte immer schon das Gefühl, wenn’s hier jemals so was wie ein Drittes Reich gäbe, wäre Nate bestimmt einer derjenigen, die die Öfen bedienten.«
»Da vorne an der Ecke ist eine Bar. Ich halte mal kurz. Ich muß telefonieren.«
»Willst du dir Baxter nicht vornehmen?«
»Nicht jetzt. Aber damit kommt er mir nicht davon.«
»Hmm«, sagte Clete. Er grinste im Licht des Armaturenbretts und wackelte mit den Augenbrauen wie Groucho Marx.
Wir gingen in die Bar an der Ecke, und Clete bestellte sich einen Drink, während ich von einem Münztelefon neben dem Flipper aus Minos in seiner Pension anrief. Ich erzählte ihm von Kim, und daß Jimmie Lee Boggs sie verprügelt hatte, und daß sie als Informantin für Nate Baxter gearbeitet hatte.
»Können Sie sie irgendwo sicher unterbringen?« sagte ich.
»Wenn sie es will.«
»Morgen früh.«
»Kein Problem.«
»Aber ein Problem hab ich noch. Warum haben Sie Clete gekippt?«
»Ich wollte es Ihnen gerade sagen. Es ist erst heute dazu gekommen. Man hat mich nicht dazu befragt.«
»Wir hatten eine Abmachung.«
»Ich habe hier nicht über alles das letzte Wort.«
»Draußen auf dem Meer hat er mir das Leben gerettet. Leute von der DEA hab ich da draußen nicht gesehen.«
»Es tut mir leid, Dave. Ich bin ein Angestellter einer Bundesbehörde. Ich bin nicht alleine in dieser Dienststelle. Das müssen Sie verstehen.«
»Meiner Meinung nach ist das eine verflucht beschissene Art, mit jemandem umzugehen.«
»Da mögen Sie recht haben.«
»Ich finde auch, daß Sie es sich mit dieser Antwort zu leicht machen.«
»Ich kann nichts dran ändern.«
»Sie können Ihren Kollegen im Büro sagen, daß Clete noch in den abgeschnittenen Fingernägeln mehr Integrität hat, als die meisten Agenten der Bundesbehörden in ihren ganzen Karrieren zusammenkratzen können.«
»Warum kommen Sie nicht vorbei und sagen ihnen das selbst? Ich habe keine Lust, mir Ihre Tiraden anzuhören. Es ist immer leicht, die Kacke zum Dampfen zu bringen, wenn jemand anderes sie wegräumen muß. Wir holen morgen früh das Mädchen, und wir sehen zu, daß Sie in der Praxis Ihres Arztes den Kassettenrecorder bekommen. Gute Nacht, Dave.«
Er hängte auf, und durch das dünne Sperrholz der Telefonzelle hörte ich die Musik des Flippers. Das rosa Leuchten des Neonlichtes der Bar ließ den Nebel und den stürmischen Regen draußen vorm Fenster wie Zuckerwatte erscheinen.
13. Kapitel
Der nächste Morgen war hell und klar, und ich ging zu der Arztpraxis in einer Nebenstraße der Jefferson Avenue, wo sie mir die Fäden aus Kopfhaut und Mund zogen. Als ich das vernarbte Gewebe über meiner rechten Augenbraue berührte, zuckte die Haut um mein Auge herum unwillkürlich zusammen. Ich öffnete den Mund und bewegte wiederholt den Kiefer. Dann betastete ich den harten Wulst, wo die Fäden gewesen waren.
»Wie ist es?« fragte der Doktor. Er war ein stämmiger, umgänglicher Mann, der die Ärmel über die breiten Arme hochgekrempelt hatte.
»Gut.«
»Das verheilt bei Ihnen alles sehr schön, Mr. Robicheaux. Aber mir scheint, Sie haben sich über die Jahre hinweg eine ganze Masse von Narben zugezogen. Vielleicht sollten Sie in dieser Hinsicht mal ein wenig kürzer treten.«
»Doktor, das ist eine gute Idee.«
»Diesmal haben Sie noch Glück gehabt. Ich nehme an, daß wir uns jetzt hier nicht unterhalten würden, wenn Sie noch eine Stunde länger im Wasser geblieben wären.«
»Ich glaube, da haben Sie völlig recht. Nun, ich danke Ihnen für Ihre Zeit.«
»Aber immer. Halten Sie sich von Krankenhäusern fern, so gut
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